Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters
Durch den hohen Aufwand jedoch, den man für seine Herstellung betreiben mußte, war er schließlich mit fast 400 DDR-Mark für die Zielgruppe nahezu unbezahlbar. Den Vergleich zu den Konkurrenzmodellen aus westlicher Produktion konnte er ohnehin nicht bestehen.
Berücksichtigt man diese Probleme, die die Wirtschaft des Ostblocks während des Kalten Krieges hatte, ist es um so bemerkenswerter, daß die UdSSR selbst in ihrer schwierigen Endphase in der Lage war, in der Weltraumtechnik nachzuziehen. Auch der sowjetischen Raumfähre Buran, von der immerhin sieben Exemplare gebaut wurden, sah man allerdings bereits von außen an, daß sie eine Kopie des amerikanischen Space Shuttle war. Aber selbst im Westen wurden die technischen Probleme, die der hektische Wettlauf der Systeme mit sich brachte, unübersehbar. Dies zeigte 1986 insbesondere die Katastrophe der beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre explodierten Raumfähre Challenger.
«Die Bataillone der besseren Sozialleistungen»
Der Blick vom Ende des Kalten Krieges und vom Untergang des «Sozialistischen Weltsystems» aus macht deutlich, daß die Überforderung des Wirtschaftssystems im Ostblock zu einem gewichtigen Teil im rigorosen Ausbau der sozialen Sicherungssysteme und der damit verbundenen sonstigen Subventionen begründet war. Allein die Preissubventionen in der UdSSR beliefen sich 1989 auf 101 Milliarden Rubel. 10 Auch Gorbatschow hatte anläßlich seiner Wahl zum Generalsekretär die Renten noch einmal um 25 Prozent erhöht. Daß sich insbesondere die Sozialpolitik, also der Schutz der sozialen Sicherheit mittels spezieller Regeln, zu einem der Schauplätze der Systemkonkurrenz im Kalten Krieg entwickelte, war gewissermaßen zwangsläufig. Die Soziale Frage war zugleich insofern ein spezieller Fall in den politischen Rivalitäten des Kalten Krieges, weil sie bereits lange vor seinem Beginn ein hart umkämpftes Gebiet gewesen war, auf dem sich nicht nur die Arbeiterbewegung seit dem 19. Jahrhundert profiliert hatte. Allerdings beruhte die unbestreitbar vorhandene Anziehungskraft der Russischen Revolution und der aus ihr hervorgegangenen Sowjetunion für viele gerade darauf, daß sie vorgab, die Soziale Frage durch die Auflösung der Klassen ein für allemal gelöst zu haben.
Wie auf vielen anderen Gebieten des Kalten Krieges wird auch die Systemkonkurrenz in der Sozialen Frage besonders anschaulich, wenn man die Rivalität an ausgewählten Beispielen betrachtet. Im geteilten Deutschland waren auf dem Weg zur doppelten Staatsgründung 1949 bereits einschlägige Weichenstellungen vollzogen worden. In deren Konsequenz war unter Aufsicht der jeweiligen Besatzungsmacht dann auf westlicher Seite die Bundesrepublik als eine parlamentarische Demokratie mit einem sozial abgefederten kapitalistischen Wirtschaftssystem - der Sozialen Marktwirtschaft - entstanden. Auf der östlichen Seite wurde in der DDR ein patriarchalisch-diktatorisch organisiertes Sozialsystem eingerichtet - eine Art «Fürsorgediktatur». 11 Bereits in der
Vorlaufphase, aber erst recht nach der Gründung beider deutscher Staaten war die Wirtschafts- und Sozialordnung ein heftig umkämpftes ideologisches Terrain. Zu einem exzellenten Beispiel dafür, wie sehr «linke Ideen» nach Kriegsende zunächst auch unter Konservativen im Westen Zuspruch fanden, wurde das «Ahle-ner Programm» der CDU in der britischen Zone vom 3. Februar 1947. 12 Hinter der Entstehung dieser Leitsätze, an die sich die Christdemokraten später nur ungern erinnern ließen, verbarg sich das vage Gefühl, daß «der Kapitalismus» an Nationalsozialismus und Krieg schuld gewesen sei. Entsprechend radikal war die Präambel formuliert: «Das kapitalistische Wirtschaftssystem», hieß es dort, «ist den staatlichen und sozialen Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden. Inhalt und Ziel dieser sozialen und wirtschaftlichen Neuordnung kann nicht mehr das kapitalistische Gewinn- und Machtstreben [...] sein. Durch eine gemeinwirtschaftliche Ordnung soll das deutsche Volk eine Wirtschafts- und Sozialordnung erhalten, die dem Recht und der Würde des Menschen entspricht [...].»Im anschließenden, in sich höchst widersprüchlichen Programm, das darin vor allem die unentschiedene Situation zwischen den Parteiflügeln der CDU widerspiegelte, wurde angesichts der Entwicklung in der SBZ einerseits vor dem Staatssozialismus gewarnt. Gleichzeitig wurden andererseits aber die «Planung und Lenkung der Wirtschaft»
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