Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters
(SSC-2A Salish bzw. AS-1 Kennel). Diese mit 152 Raketensprengköpfen erhebliche nukleare Streitmacht auf Kuba wurde durch weitere Atombomben für die dort ebenfalls stationierten sowjetischen Bomber vom Typ Iljuschin 11-28 (NATO-Code: Beagle) sowie durch modernste U-Boote der im Westen sogenannten «Golf-Klasse» (sowj. Bezeichnung: Projekt 628 ) ergänzt, die unter anderem mit neu eingeführten R-13 (SS-
4 N-4) SLBM mit 1,5 Megatonnen und atomaren Torpedos ausgerüstet waren. Im September 1962 wurden die Waffenarsenale dann durch amerikanische U-2-Spionageflugzeuge entdeckt.
Es war aber weniger die Größenordnung der Streitmacht - deren tatsächlicher Umfang den Amerikanern damals mit Sicherheit nicht bekannt war - als vielmehr die prinzipielle militärisch-politische Bedrohungswahrnehmung, die diesmal die Welt näher als in allen anderen Krisen des Kalten Krieges an den Rand des Atomkriegs brachte. Am 22. Oktober forderte Kennedy Chruschtschow 't# ultimativ auf, die Stellungen abzubauen und die Raketen in die UdSSR zurückzutransportieren. Zwei Tage später folgte die US-See-blockade gegen Kuba. Wie insbesondere die Tonbandmitschnitte der Krisensitzungen in Washington belegen, war Kennedy tatsäch-
raketenreichweiten während der kubakrise 1962 Die damals entstandenen Skizzen machen deutlich, daß die Mittelstreckenraketen beider Seiten das jeweils gegnerische Territorium in einem weiten Radius abdecken konnten. Nicht thematisiert wird, daß zu diesem Zeitpunkt bereits Interkontinentalraketen und Bomber in der Lage waren, das Territorium des Gegners vollständig zu erreichen. Die grundsätzliche Bedrohungslage des Kalten Krieges wurde daher weder durch die Mittelstreckenraketen auf Kuba noch in der Türkei grundsätzlich verändert.
lieh entschlossen, auch Atomwaffen einzusetzen. Am Dienstag, den 23. Oktober, hatte Kennedy mit seinen Beratern ausführlich über die Vorbereitung für einen «totalen nuklearen Schlagabtausch» («all out nuclear exchange») diskutiert, den man zwar nicht wolle, aber im Zweifelsfall führen werde. 54 Am folgenden Tag war tatsächlich die Alarmstufe DEFCON 2 aktiviert worden, nur eine
A Stufe unterhalb der Auslösung des Atomkriegs. Drei Tage später, am 27. und 28. Oktober, erreichte die Krise ihren Höhepunkt. Nach einem geheimen Briefwechsel zwischen Chruschtschow und Kennedy wurde ein Handel geschlossen, bei dem beide Seiten das Gesicht wahren konnten: Die UdSSR sollte die Raketen von Kuba abziehen und die Startrampen abbauen. Nach einigen Monaten würden die USA dann ihre Mittelstreckenraketen, die den europäischen Teil der Sowjetunion bedrohten, aus der Türkei zurückholen. Dies geschah dann 1963. Am Morgen des 28. Oktober 1962 «♦«wurde der Abzug der sowjetischen Raketen aus Kuba gemeldet. Eine gemeinsame Note der USA und der UdSSR an den UN-General-sekretär Sitho U Thant beendete im Januar 1963 auch offiziell die Kubakrise. Als der eigentliche Verlierer zwischen den Fronten der Supermächte fühlte sich Castro. Seine Forderungen, die unter anderem auch die Räumung des US-Stützpunlctes Guantänamo beinhaltet hatten, wurden nicht berücksichtigt.
Während das Verhältnis zwischen den USA und Kuba angespannt blieb und auch nach dem Ende des Kalten Krieges nicht gelöst werden konnte, waren die langfristigen Folgen dieses hochbri-fco santen Showdown im Kalten Krieg beträchtlich. Einerseits bestanden sie in einer neuen Aufrüstungsrunde, in der vor allem die Sowjetunion im Bereich der Strategischen Waffen massiv aufholte und bis Ende der sechziger Jahre einen nuklearen Gleichstand mit den USA schuf. Bei den Interkontinentalraketen lag die UdSSR noch Mitte der achtziger Jahre eindeutig vorn. Parallel dazu führte der Schock der Kubakrise jedoch in den Zentren des Kalten Krieges zu deutlichen Entspannungsbemühungen. Sie mündeten am 20. Juni 1963 in die Einrichtung des berühmten «Roten Telefons», einer zunächst über Fernschreiber, ab 1970 auch über Satellit hergestellten Verbindung, über die im Notfall die Regierungschefs der UdSSR und der USA miteinander sprechen konnten, um einen drohenden Konflikt abzuwenden.
10. Entspannung und Abrüstung 1953-1981
Der «Geist von Genf»
Der Kalte Krieg war von zahlreichen Entspannungsphasen überlagert und abgeschwächt. Zeitweilig liefen selbst Forcierung und Verhandlungen parallel. Selbst in der Hoch-Zeit der Entspannungspolitik, Mitte der siebziger Jahre, wurden die Annäherungen systematisch unterlaufen.
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