Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters
Ägypten, im Kongo und in Angola gelang es auch in den vornehmlich von Claninteressen gelenkten ostafrikanischen Staaten, die seit 1961 der ersten Generation der Blockfreienbewegung angehörten, die Fronten des Kalten Krieges virtuos für die eigenen Ziele zu nutzen, obwohl beide politisch eher dem Ostblock nahestanden. Somalia, hervorgegangen aus dem britischen und italienischen Kolonialgebiet und seit 1960 unabhängig, war seit einem Putsch 1969 eine isla-misch-marxistische Militärdiktatur. Auch Äthiopien besaß seit 1974 eine sozialistische Verfassung und setzte Maßnahmen nach dem Muster der Sowjetisierung durch. Beide Staaten führten seit 1960 Krieg, teils gegeneinander, teils gegen andere Staaten (Somalia-Eritrea 1962-1991, Somalia-Kenia 1963-1967, Tigray-Oromo-Konflikt 1974 -1991). Die weltpolitisch wichtigste Auseinandersetzung wurde mit sowjetisch-kubanischer und amerikanischer Unterstützung um die Region Ogaden 1977/78 geführt. Die mehrheitlich von somalischen Nomaden bewohnte, ökonomisch völlig uninteressante Ogaden-Region war bereits um die Jahrhundertwende von den Kolonialmächten Äthiopien zugeschlagen worden, was allerdings Somalia niemals akzeptiert hatte. Nach zahlreichen kleineren Gefechten eskalierte der eigentliche Ogaden-Konflikt im Juli 1977 mit einer Offensive Somalias und endete im März 1978 mit einem Sieg Äthiopiens. Warum diese Auseinandersetzung, die auf den ersten Blick so wenig mit den Fronten des Kalten Krieges zu tun hatte, so interessant für die Supermächte war, erschließt sich allein aus der strategischen Bedeutung der Region. Das Horn von Afrika war jener Punkt, an dem die Schifffahrtsrouten zwischen dem Suezkanal und dem Golf von Aden und damit der Weg zu den Erdölförderregionen auf der Arabischen Halbinsel kontrolliert werden konnten.
Moskau entschied sich, Äthiopien unter Mengistu Haile Mariam zu unterstützen. Neben sowjetischen Waffenlieferungen wurden, wie in Angola, rund 15 000 kubanische Soldaten ins Land gebracht, die dann maßgeblich zum Sieg Äthiopiens 1978 beitrugen.
Auch die DDR war beteiligt: Sie finanzierte dort mit rund vier Millionen Mark eine Schule für Staatssicherheit. 46 Nach dem Prinzip des «Teile und Herrsche» erhielten aber auch die Eritreer, die für die Loslösung von Äthiopien kämpften, sowjetisch-kubanische Unterstützung. Das sozialistische Somalia entschied sich nun angesichts der Hilfe aus dem Ostblock für den Erzfeind Äthiopien seinerseits im November 1977 dafür, die militärisch-politische Kooperation mit Moskau zu beenden, und konnte im Gegenzug erfolgreich westliche Hilfe einwerben. Dazu trug nicht zuletzt ein Ereignis bei, das auf den ersten Blick wiederum nur indirekt mit dem Kalten Krieg zu tun hatte: die Entführung einer Lufthansa-Maschine aus der Bundesrepublik durch arabische Terroristen im Oktober 1977 mit dem Ziel, deutsche Gesinnungsgenossen - unter anderem die Gründergeneration der westdeutschen Rote-Armee-Fralction - freizupressen. Nachdem die somalische Regierung einem westdeutschen Anti-Terror-Kommando in der Hauptstadt Mogadischu die Befreiung der Geiseln genehmigt hatte, revanchierte sich Bonn dafür mit erhöhter Entwicklungshilfe. Die Hauptunterstützung Somalias leisteten aber auch hier die USA, die bis 1989 ihren Beistand aufrechterhielten. Für die nächste Runde im Oga-den-Konflikt gegen Äthiopien im Jahr 1980 war Somalia daher gut gerüstet. Ogaden blieb dennoch äthiopisch, ebenso wie die gleichfalls umkämpften Gebiete Tigray und Oromo. Die Folgen des Krieges um Ogaden waren aber dennoch weitreichend. Die Entspannungspolitik, so formulierte der Sicherheitsberater Präsident Carters, Zbigniew Brzezinski, später in seinen Memoiren, sei in der Wüste von Ogaden «begraben» worden. 47 Daß die eigentlichen Ursachen der Auseinandersetzungen jedoch auch in diesem Fall wenig mit dem Kalten Krieg zu tun hatten, zeigte sich nach 1991. Weil es sich eigentlich um einen innerafrikanischen, teilweise lediglich um einen Konflikt rivalisierender Clans handelte, der nur temporär an den Ressourcen des Kalten Krieges partizipierte, blieb die Auseinandersetzung auch nach einem UN-Einsatz zwischen
1992 und 1994 unlösbar.
Am Rand des Atomkriegs: Die Kubakrise 1962
A Die wohl dramatischste Zuspitzung des Kalten Krieges insgesamt fand ebenfalls in der Dritten Welt statt. Die Konfrontation zwischen den USA und der UdSSR im Oktober 1962 auf Kuba wurde zwar einerseits um die Frage geführt, ob eine sowjetische
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