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Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Titel: Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Stöver
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Blockbildung,

    GENF: «die KONFERENZ des LÄCHELNS» 1955 Das Bild zeigt den sowjetischen Ministerpräsidenten Bulganin, US-Präsident Eisenhower, den französischen Ministerpräsidenten Faure und den britischen Außenminister Eden. Viel mehr als ein freundliches Lächeln kam allerdings nicht heraus.
    kam es zu dem über Jahre aufgeschobenen Gipfeltreffen an einem neutralen Ort: Genf war bis 1945 Sitz des Völkerbunds gewesen. Der «Geist von Genf» wurde allerdings im Sommer 1955 nur zum Synonym für eine freundlich zur Schau getragene, politisch jedoch unverbindliche Bereitschaft zur Entspannung. Die Amerikaner präsentierten hier erfolglos das Konzept «Offener Himmel» (Open Skies), den Vorschlag, daß die UdSSR und die USA jeweils die gegnerischen Militäreinrichtungen aus der Luft inspizieren dürften. Die Sowjets konterten ebenso ergebnislos mit einer Neuauflage des mittlerweile fast zehn Jahre alten und schließlich nach endlosen Verhandlungen gescheiterten Baruch-Plans zur Kontrolle der Atomwaffen. Ansonsten blockten die Amerikaner bei der sowjetischen Forderung, «Rot-China» anzuerkennen, die Sowjets bei den amerikanischen Appellen zur Freigabe Ostmitteleuropas. Auch bei anderen harten Themen, wie der Deutschen Frage, gab es in Genf keine Bewegung. Ein «Ende des Kalten Krieges» jedenfalls, wie damals der französische Ministerpräsident Edgar Faure glaubte, war die Genfer Gipfelkonferenz mit Sicherheit nicht. Immerhin fand alles in einer angenehmeren Atmosphäre statt, als nach den Konfrontationen der letzten Jahre zu vermuten gewesen war.
Friedliche Koexistenz, Strategie des Friedens und Neue Ostpolitik
    Nach Genf wurde vor allem der XX. Parteitag der KPdSU im Februar 1956 zum Inbegriffeines ersten wirklichen «Tauwetters» im Ostblock. Die Kenntnis der aufsehenerregenden und politisch nicht risikofreien Abrechnung Chruschtschows mit seinem Vorgänger Stalin, die im Ostblock erhebliche Verwirrungen hinterließ und, wie man heute weiß, auch China schon auf Distanz zur Sowjetunion gehen ließ, verband sich im Westen mit der Hoffnung auf Verbesserung der internationalen Beziehungen. Im Koordinatensystem des Kalten Krieges, in dem tatsächliche oder vermeintliche Schwächen des Gegners in der Regel sofort genutzt wurden, schloß dies natürlich nicht aus, daß westliche Dienste unmittelbar danach versuchten, die Geheimrede möglichst umfassend im Ostblock bekannt zu machen, um die dortige Opposition zu stärken. Bedeutungsvoll für die internationalen Beziehungen war insbesondere Chruschtschows Abwendung von Lenins Theorie der Unvermeidbarkeit von Kriegen mit den kapitalistischen Staaten, die nun offiziell durch die Doktrin der «Friedlichen Koexistenz» zwischen den Systemen ersetzt wurde. Obwohl die Formel zeitweilig zum reinen Lippenbekenntnis wurde, öffnete sie langfristig den Weg zu außenpolitischen Konzessionen. In der Sache glaubte Chruschtschow 1956, aus einer Position der Stärke zu argumentieren, und insbesondere die Erfolge der sowjetischen Wissenschaft schienen ihm in den nächsten Jahren sogar recht zu geben.
    Ob dies das Ende des Kalten Krieges war, wie der eine oder andere Beobachter auch diesmal glaubte belegen zu können, blieb wiederum umstritten. So richtig an die grundlegende Änderung der sowjetischen Politik glauben wollten im Westen allerdings nur wenige. Daß die Doktrin der Friedlichen Koexistenz tatsächlich keineswegs defensiv gemeint war, unterstrich nicht nur die kurz danach folgende Zweite Berlinkrise 1958, an deren Ende der

    DAS ZENTRALE PARADOXON DES KALTEN KRIEGES: «DER FRIEDE BIN ICH!» Die
    berühmte Karikatur von Hans Meyer-Brockmann in der in München erscheinenden Satirezeitschrift Simplicissimus vom 19. Mai 1956 verdeutlicht die Grundkonstellation des Kalten Krieges auf die wohl einprägsamste Weise. Die Bombe» war die globale Bedrohung, bot aber auch Sicherheit vor dem Nuklearkrieg.
    Mauerbau stand. Auch innerhalb des eigenen Lagers machte der Abbruch der Beziehungen mit China 1960 deutlich, daß das Konzept ganz bestimmt nicht gegenüber abweichenden Meinungen galt. Zudem meinte der Begriff ausdrücklich niemals die Beziehungen zwischen den Kontrahenten des Kalten Krieges in der Dritten Welt. Damit es in dieser Frage kein Mißverständnis geben konnte, ließ der sowjetische Ministerpräsident Kossygin dies 1965 noch einmal ausdrücklich in der Prawda verbreiten: «Die Politik der friedlichen Koexistenz [...] ergibt sich aus der Unzulässigkeit der

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