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Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Titel: Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Stöver
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aufzugeben, blieb zweifelhaft.
    Ein wichtiger neuer Hinweis, daß die Sowjetunion zu diesem Zeitpunkt tatsächlich eine «Verschnaufpause» brauchte, wie bereits damals der Ostexperte des Auswärtigen Amtes, Boris Meißner, vermutete, 3 eröffnete sich nach dem Ende des Kalten Krieges durch die Freigabe neuer Akten aus Moskauer Archiven. Sie machten überraschend klar deutlich, daß auch die Nachfolger Stalins, die sich nach dem Tod des Diktators am 5. März 1953 zunächst als «Kollektive Führung» konstituierten, gewillt waren, dieselben Angebote noch einmal vorzulegen. Und tatsächlich diskutierte man in Moskau zwischen März und Juni 1953 relativ offen über den Sinn der DDR. Der Volksaufstand in Ostdeutschland am 17. Juni 1953 und die mit ihm verbundene Furcht, nicht nur die Kontrolle über die Entwicklung, sondern auch ein wichtiges Faustpfand zu verlieren, beendete solche Debatten. 4 Immerhin aber «entstalini-sierten» die Sowjets ihre Außenpolitik in den folgenden Jahren weiter. So wurde bis 1955 die Aussöhnung mit Stalins Intimfeind Tito vollzogen, und im selben jahr zeigten die Sowjets, daß sie sogar bereit waren, besetzte Gebiete freizugeben. 1955 wurde Österreich, das immerhin als Teil des Deutschen Reiches den Zweiten Weltkrieg bis zum bitteren Ende mitgeführt hatte, zu einem neutralen Staat, der eigene Truppen besitzen durfte. Umstritten blieb aber auch hier, ob das überhaupt mit dem geteilten Deutschland vergleichbar war. Immerhin wurde Österreich im dazugehörigen Staatsvertrag ausdrücklich ein zukünftiger Anschluß an Deutschland verboten.
    Das schlichte Ignorieren der sowjetischen Vorstöße 1952 war aber nicht nur bei der Opposition in der Bundesrepublik, sondern auch zum Beispiel in Großbritannien nicht unwidersprochen geblieben. Insbesondere der britische Premier Winston Churchill hatte gedrängt, die Gunst der Stunde zu nutzen. Man solle einen neuen Anfang versuchen, schrieb er am 11. März 1953 an Eisen-hower. 5 Tatsächlich war die öffentliche Meinung in Westeuropa durchaus auf Churchills Seite, wie selbst der amerikanische Botschafter in London, Winthrop Aldrich, einräumen mußte. Churchills Versuch, die Gunst der Stunde nach Stalins Tod zu nutzen, um die seit Beginn des Koreakrieges vereisten Fronten des Kalten Krieges zumindest anzutauen, hatte dabei besonderes Gewicht -und dies macht gleichzeitig auch die Vehemenz des Widerstands gegen die Noten verdächtig, wie er von Adenauer, aber insbesondere auch aus der US-Regierung kam. Über die Beweggründe, warum Churchill diese Ambitionen entwickelte, ist viel gerätselt worden. Zu vermuten ist, daß er, der zeitlebens von der charismatischen Kraft der «Vieraugengespräche» überzeugt war, tatsächlich glaubte, daß speziell sein Einsatz für die Entspannung zwischen den Blöcken den Kalten Krieg beenden könne. Warum er dann aber nicht solche Gespräche mit Stalin selbst führte, blieb rätselhaft. Wahrscheinlich hielt er sie nach dem Bruch mit Stalin 1945 schlicht für zwecklos. Bezeichnenderweise hat er selbst als wiedergewählter britischer Regierungschef zwischen 1951 und dem Tod Stalins im März 1953 niemals die diplomatische Initiative ergriffen, um mit Moskau zu verhandeln, sondern jeweils seinen Außenminister Anthony Eden vorgeschickt. Selbst die Stalin-No-ten kommentierte er 1952 kaum. Dagegen ist bekannt, daß er unmittelbar nach dem Ableben des sowjetischen Diktators seine Vorstellungen über eigene Verhandlungen mit Moskau und die Entspannung mit der Sowjetunion zunächst intern kursieren ließ. Nur sechs Tage nach dem Tod Stalins machte er in seinem am
    11. März 1953 an Eisenhower gesandten Brief deutlich, daß sich nun die Bedingungen grundlegend geändert hätten. 6 Die Niederschlagung des Aufstands vom 17. Juni durchkreuzte dann auch Churchills Vorstellungen und stärkte zudem die Gegner der Verhandlungen mit Moskau, zu denen sich zu diesem Zeitpunkt auch der US-Präsident zählte. Auf der NSC-Sitzung am Tag nach der Niederschlagung des Aufstands in der DDR stellte Eisenhower fest, nun hätten die Aufstände «uns mit Gewißheit das stärkste Argument gegen Herrn Churchill» gegeben. 7 Erwartungsgemäß blieb eine doch noch im Januar/Februar 1954 in Berlin tagende gemeinsame alliierte Außenministerkonferenz über das Deutschlandproblem dann ohne jedes Ergebnis. Ein weiteres Treffen, das auf den Bermuda-Inseln veranstaltet werden sollte, fand nicht mehr statt.
    Erst im Juli 1955, nach der bereits vollzogenen

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