Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters
seine Bedeutung auch für den Frieden in Europa und für das Ost-West-Verhältnis.» 12
Der Ostblock und insbesondere die DDR-Führung sahen das Konzept der Neuen Ostpolitik mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Gerade für die DDR bot die Annäherung an die Bundesrepublik enorme Vorteile, aber auch bedenkenswerte Risiken. Der Nutzen lag in der Anerkennung als Staat, die Gefahr in einer schleichenden Vereinnahmung. Die SED jedenfalls sah die Entspannungspolitik, wie DDR-Außenminister Otto Winzer nach Bahrs Rede vermerkte, als «Aggression auf Filzlatschen», die im schlechtesten Fall die seit dem Mauerbau mühsam erreichte innere Konsolidierung der DDR zerstören könne. 13 Die Jahre vor dem Beginn der Verhandlungen um den sogenannten Grundlagenvertrag zwischen der Bundesrepublik und der DDR waren dann auch von einer deutlichen Verschärfung der innerdeutschen Beziehungen gekennzeichnet. Ab 1967 behinderte die SED insbesondere die kirchlichen Kontakte, und im nächsten Jahr sperrte man sogar die Transitwege für bundesdeutsche Minister und leitende Beamte, erließ einen Paß- und Visumzwang und verdoppelte den Pflichtumtausch. Ulbricht wollte zwar die internationale Anerkennung der DDR, aber gleichzeitig sollte der Kontakt mit dem «Klassenfeind» im Westen möglichst gering bleiben. Auch bei den anderen ostmitteleuropäischen Regierungen war das Mißtrauen gegenüber der Neuen Ostpolitik zu spüren, wenngleich aus anderen Motiven. Hier befürchtete man zwar auch eine allmähliche Aufweichung des Ostblocks, zudem aber eine deutsch-deutsche Annäherung. Zu nah war noch die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg.
Unterstützung für jene im Westen, die eine Entspannungspolitik als Anbiederung an den Feind im Kalten Krieg begriffen, kam 1969. Obwohl der neue, nun wieder von den konservativen Republikanern gestellte US-Präsident Richard Nixon und sein Außenminister Henry Kissinger langfristig die Entspannungsbemühungen fortsetzten, die schließlich in der berühmten «Öffnung Chinas»
1972 gipfelten, stärkte der Wechsel in Washington zunächst die Vertreter der harten Linie im Kalten Krieg. Diese Möglichkeit nahmen die westdeutschen Vertriebenenorganisationen seit 1969 intensiv wahr, und sie konnten tatsächlich bei rechtskonservativen .unerilcanischen Kongreßabgeordneten erfolgreich Stimmung gegen die Brandtsche Entspannungspolitik machen. Einer der ak- 1 ivsten Lobbyisten war der Vertriebenenfunktionär Walter Becher. Nachdem er bereits während seiner USA-Reise 1969, zusammen mit dem Bayernkurier-Chefredakteur Marcel Hepp unter Kongreßabgeordneten gegen den Atomwaffensperrvertrag Stimmung gemacht hatte, wurden 1972 auch seine intensiven Kontakte mit einem der dezidiertesten Gegner der Entspannungspolitik, dem konservativen US-Senator Strom Thurmond, bekannt. Der Erfolg konnte sich sehen lassen: Insgesamt fünf Senatoren und elf Abgeordnete des US-Repräsentantenhauses sprachen sich schließlich offiziell gegen Brandts Ostpolitik aus. 14 Becher gelang es sogar, Thurmond den konkurrierenden Ostpolitik-Entwurf des CSU-Vor-sitzenden Franz Josef Strauß so schmackhaft zu machen, daß der Senator das Papier als Einzeldokument in den Congressional Record, das offizielle Veröffentlichungsblatt des US-Kongresses, aufnehmen ließ. Thurmond sorgte später auch dafür, daß ein weiterer konservativer Gegenentwurf zur Ostpolitik, der des Westberliner Verlegers Axel Springer, ebenfalls dort erscheinen konnte. Offen hat Becher später in seinen Memoiren eingeräumt, daß für die Befürworter der Politik der Stärke gegenüber dem Osten «die politische Szene im Washington jener Tage [gemeint ist vor allem das |uhr 1972]» nicht zuletzt deshalb interessant war, «weil viele der Akteure, die in der Ablehnung der Bonner Politik eine angeblich kleine Minderheit bildeten, nachmals wichtige Funktionen in der Administration Reagans übernahmen und gerade im Bereich der West-Ost-Politik das versuchten, was die Brandtsche Mannschaft unterlassen hatte». 15 Alle Bemühungen, mit Hilfe amerikanischer Organisationen die Ostverträge Brandts zu diskreditieren und scheitern zu lassen, mißlangen allerdings. Trotzdem trugen sie nicht nur in der Bundesrepublik und den USA, sondern auch allgemein im Westen dazu bei, die Entspannungspolitik zu desavouieren. Mit dem Regierungsantritt Ronald Reagans 1981 und der offiziellen Renaissance der westlichen Offensivpolitik im Kalten Krieg sahen sich daher auch die Vertriebenenverbände
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