Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters
umfassendere Politisierung der Bevölkerung im Westen. Von den «68ern» führte eine direkte Linie zur neuen Friedensbewegung der siebziger und achtziger Jahre, die sich gegen einen erneuten Rüstungswettlauf wandte und damit ihren Teil zum Ende des Kalten Krieges beitrug.
Offizielle Absichtserklärungen des Warschauer Pakts zur Abrüst ung waren zum Beispiel die sogenannte Bulcarester Deklaration von 1966 und der Budapester Appell 1967. In der Bukarester «Deklaration über die Festigung des Friedens und der Sicherheit in I uropa» war unter anderem vorgeschlagen worden, «Maßnahmen |/,u| ergreifen, die geeignet sind, eine Wende zur Minderung der Spannungen in Europa, zur Festigung der Sicherheit, zur Entwicklung einer friedlichen, gegenseitig vorteilhaften Zusammenarbeit zwischen den europäischen Staaten herbeizuführen». 20 Auch im Westen hatte der «Harmel-Bericht» des NATO-Rats über die «zukünftigen Aufgaben der Allianz» vom Dezember 1967 festgestellt, daß «militärische Sicherheit und eine Politik der Entspannung [...] keinen Widerspruch» darstellen müßten, sondern auch als «eine gegenseitige Ergänzung» verstanden werden könnten. Allerdings machte auch dieser Bericht die Grundbedingung klar. Entspannung sei «nicht das Endziel», sondern «Teil eines langfristigen Prozesses zur Verbesserung der Beziehungen» unter Berücksichtigung des globalen Gleichgewichts. 21 Bis zur Verabschiedung des neuen sicherheitspolitischen Konzepts der NATO für die Zeit nach dem Kalten Krieg am 7. November 1991 behielt der hier entwickelte Grundsatz, nämlich Entspannung unter Berücksichtigung gesicherter Verteidigungsfähigkeit, Gültigkeit.
Für die Supermächte begann die Abrüstung mit den Verhandlungen zur Begrenzung der Strategischen Rüstung (SALT). Sie waren bereits 1968 zwischen US-Präsident Johnson und dem sowjetischen Ministerpräsidenten Kossygin verabredet worden, dann aber durch die militärische Niederschlagung des tschechoslowakischen Reformkommunismus im August 1968 wieder durchkreuzt worden. Immerhin hatte es aber noch kurz vor dem Einmarsch der Warschauer-Pakt-Staaten in die CSSR dafür gereicht, im Juli 1968 ein seit längerem beratenes Abkommen zur Nichtverbreitung von Kernwaffen (NPT) abzuschließen. Der Atomwaffensperrvertrag, der 1970 in Kraft trat, war zwischen den beiden Supermächten auch nicht besonders umstritten, da es allein darum ging, die nuklearen Waffen in einem exklusiven Kreis zu halten, um die Gefahr des Atomkriegs zu begrenzen. 22 Gerade dies erwies sich dann allerdings doch als Problem. Die Erstunterzeichner, die Atommächte USA, UdSSR und Großbritannien, stießen mit ihrem Versuch, alle Länder - einerlei, ob Besitzer von Nuklearwaffen oder nicht - zum Beitritt zu bewegen, rasch auf Widerstand. Zwar traten bis zum Ende des Kalten Krieges über 140 Staaten bei, doch gerade jene Länder, die auf der nationalen Souveränität auch bei den Atomwaffen beharrten und gleichzeitig eine zusätzliche Stärkung der Supermächte fürchteten, verweigerten sich. Diese nationalen Fronten verliefen dabei quer zur Blockkonfrontation. So traten China und Frankreich erst am Ende und nach dem Kalten Krieg 1991 und 1992 bei. Indien, das damals kurz vor dem erfolgreichen Test einer eigenen Atombombe stand, verweigerte sich ganz und blieb ebenso wie der Rivale Pakistan dem Nichtverbreitungsvertrag auch nach dem Ende des Kalten Krieges fern. Ebenso trat Israel, das seine Atomwaffen vor allem auch als legitimen Schutz gegen jene arabischen Staaten betrachtete, die sein Existenzrecht bestritten, nicht bei. Die Kontrolle des NPT blieb ohnehin problematisch, wie sich bei einigen Schwellenländern
zeigte. Dazu wurden Ende der achtziger Jahre zum Beispiel Libyen, der Iran, der Irak, Südafrika oder Nordkorea gezählt. Zwar fanden seit 1975 alle fünf Jahre Konferenzen über die Wirksamkeit des Vertrags statt. In der Praxis jedoch konnte die Internationale Atomenergiebehörde nur registrieren, daß Staaten, die gewillt waren, die Kontrolleure zu täuschen, in der Lage waren, ihre Produktion fortzusetzen.
Die parallel zum Nichtverbreitungsvertrag begonnenen SALT-Verhandlungen zu den Strategischen Waffen führten dagegen schon 1972 zu ersten Erfolgen: Am 26. Mai wurden durch Nixon und Breschnew in Moskau sowohl der sogenannte ABM-Vertrag über die Begrenzung von Raketen-Abwehr-Systemen als auch der Vertrag über die Beschränkung der Strategischen Offensivwaffen -also see- und landgestützte
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