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Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Titel: Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Stöver
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Interkontinentalraketen - (SALT I) unterzeichnet. Vor allem die Tatsache, daß auch eine Begrenzung der Abwehrsysteme beschlossen wurde, macht deutlich, daß beide Seiten weiterhin von einer friedensbewahrenden Funktion der gegenseitigen Abschreckung ausgingen. Von einem Ende des Kalten Krieges konnte man auch jetzt nicht sprechen. Der Erfolg der ersten SALT-Runde führte aber noch unter Nixon, der allerdings im August 1974 durch die Watergate-Affäre zum Rücktritt gezwungen wurde, zu den SALT-II-Gesprächen. Sie wurden am 25. September 1973 wiederum in Genf eröffnet. Die dort verhandelte Begrenzung von mobilen Raketensystemen, vor allem im Mittelstreckenbereich, erwies sich jedoch als wesentlich komplizierter - nicht zuletzt, weil niemand wirklich offenlegte, wie viele Systeme vorhanden waren und was man eigentlich dazu zählen wollte. In diesem Poker um «Ausgewogenheit» blieb zum Beispiel über Jahre die Frage ungeklärt, ob sowjetische Bomber, wie die 1975 neu in Dienst gestellte sowjetische Tupolev Tu-26 (NATO-Code: Backfire), hinzugezählt werden durften, die - wie die Sowjets versicherten - gar nicht in der Lage waren, mit einer Tankfüllung den amerikanischen Kontinent zu erreichen. Die USA wiederum waren zurückhaltend, wenn es um ihre Marschflugkörper ging. Schließlich konnten aber die Verträge am 18. Juni 1979 von US-Präsident Jimmy Carter und dem sowjetischen Staatsoberhaupt Leonid Breschnew unterzeichnet werden. Doch zu diesem Zeitpunkt - fast sieben Jahre nach Beginn der Verhandlungen - hatte sich die öffentliche Meinung in den USA schon so gegen die Entspannungspolitik gewandt, daß die Ratifizierung durch den Kongreß fraglich geworden war. Sie entfiel dann allerdings hauptsächlich wegen des im Dezember 1979 folgenden sowjetischen Einmarschs in Afghanistan.
    Zwischen 1971 und 1990 konnten insgesamt 13 wichtige bilaterale Vereinbarungen zur Rüstungsbegrenzung und -kontrolle geschlossen werden, davon allein 11 in den für die Entspannungspolitik besonders produktiven Jahren bis 1979, sowie multilaterale Abkommen. Manche erwiesen sich unmittelbar als Erfolg, andere wurden zwar nicht ratifiziert, aber beide Seiten hielten sich daran, wieder andere konnten bis über das Ende des Kalten Krieges hinaus gar nicht in Kraft treten. Für die atomaren Waffen besonders bedeutsam wurden der INF-Vertrag 1987, der dann tatsächlich den Abbau von Mittelstreckenraketen in Europa regelte, sowie der im Juli 1991 Unterzeichnete START-Vertrag, der die Strategischen Nuklearwaffen der Supermächte jeweils um ein Drittel reduzierte. Auch in diesem Fall war allerdings neun Jahre lang verhandelt worden.
    Weniger erfolgreich waren im Kalten Krieg die nur einige Monate nach den SALT- und ABM-Abschlüssen am 31. Januar 1973 begonnenen Verhandlungen über «beidseitige und ausgewogene Truppenverminderung» in Europa (MBFR). Sie blieben bis 1990 ohne greifbare Ergebnisse. Erst nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten und knapp ein Jahr vor dem tatsächlichen Ende des Kalten Krieges kamen sie wieder in Fahrt. Am 19. November 1990 konnten 22 europäische Staaten in Wien das bislang umfangreichste Abrüstungs- und Kontrollabkommen unterzeichnen. Der sogenannte «Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa» (KSE-Vertrag), der dann nach dem Ende des Blockkonflikts 1992 in Kraft trat, legte zum ersten Mal die Obergrenzen auch von nichtatomaren Hauptwaffensystemen nach einem Schlüssel so fest, daß jeder Überraschungsangriff ausgeschlossen sein sollte. 23
    Die Supermächte waren grundsätzlich an solchen europäischen Entspannungsinitiativen weit weniger interessiert als an den großen Abrüstungsverhandlungen, wie auch Henry Kissinger später in seinen Erinnerungen vermerkte. 24 Trotzdem gehörte zu den europäischen Aktivitäten eine jener Konferenzen, die sich langfristig für den Verlauf und das Ende des Kalten Krieges als besonders folgenreich erwies: die «Konferenz über Sicherheit und
    Zusammenarbeit in Europa», kurz: KSZE. Die USA zeigten sich zunächst desinteressiert, und die Sowjets hielten sich faktisch nicht an die KSZE-Vereinbarungen. Der pessimistische Grundton, den die New York Times im Sommer 1975 zu den bevorstehenden Vertragsunterzeichnungen in Helsinki anschlug, war keine Einzelmeinung: «Die Konferenz der fünfunddreißig Staaten für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, die jetzt nach zweiunddreißig Monaten semantischer Haarspaltereien ihrem Höhepunkt entgegensieht, hätte am

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