Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters
von den «Neuen Rechten» um das Committee on the Present Danger (CPD) geförderte Kandidat, der ehemalige kalifornische Gouverneur Ronald Reagan sich dort noch nicht gegen den amtierenden US-Präsiden-ten Gerald Ford durchsetzen konnte, gelang es, die Parteispitze zu zwingen, vom Begriff der Entspannung (Detente) abzurücken und ihn durch den Terminus «Frieden durch Stärke» (Peace through Strength) zu ersetzen. Unschwer als Neuauflage der «Politik der Stärke» erkennbar, bestimmte dieses Konzept im weiteren die republikanische Debatte. Langfristig setzte es sich gegen die Entspannungspolitik in den USA spätestens zu dem Zeitpunkt durch, als Carter außenpolitisch scheiterte.
Die amerikanischen Wähler glaubten 1976 allerdings weniger den republikanischen Beteuerungen eines moralischen Neuanfangs, wenngleich das Ergebnis denkbar knapp ausfiel. Auch in der Bundesrepublik erreichten die Konservativen, die mit dem Slogan «Freiheit oder Sozialismus» in den nicht weniger polarisierenden Wahlkampf gezogen waren, im gleichen Jahr nicht ihr Ziel. Es blieb bei der sozialliberalen Koalition unter Helmut Schmidt. Als Carter 1977 dann als US-Präsident antrat, betonte er zwar den moralischen Neuanfang. Die neue Regierung werde eine Politik betreiben, «die von unseren grundlegenden Wertvorstellungen ausgeht und die Stärke und Einfluß für humane Ziele einsetzt». 27 In der Praxis blieb jedoch vieles beim Alten, weil auch der neue Präsident die bestehenden Fronten des Kalten Krieges ignorieren wollte. Zwar konnte er in bestimmten Regionen, gerade auch in der Dritten Welt, durchaus Pluspunkte sammeln. So wurde der iranische Schah, den die USA über Jahrzehnte als westliches Bollwerk im Mittleren Osten gestützt hatten, fallengelassen. Andere Diktaturen, die sich ebensowenig um die Menschenrechte kümmerten, förderte aber auch die Carter-Administration im Zweifelsfall noch weiter. Gegenüber dem nicaraguanischen Somoza-Clan blieb Washington lange Zeit unentschieden, und auch bei der Aufnähme der offiziellen diplomatischen Beziehungen mit der chinesischen Regierung 1979 spielte die Frage, ob Peking die Menschenrechte achtete, keine Rolle.
Gegenüber dem Ostblock wurde die Menschenrechtsfrage aber unter Carter zum zentralen Instrument der Führung des Kalten Krieges. Sie sei ein Teil des «ideologischen Kampfes mit der Sowjetunion», erklärte er am 24. März 1977 während einer Pressekonferenz. 28 Noch im selben Monat wurde der sowjetische Dissident Wladimir Bulcowski, der den Einsatz der Psychiatrie gegen Opposi- 1 ioneile in der Sowjetunion bekanntgemacht hatte, offiziell im Weißen Haus empfangen. Dies war nicht nur ein offener Affront gegenüber Breschnew, sondern auch ein spektakulärer Wandel gegenüber der Politik seines Vorgängers Ford, der noch ein Jahr zuvor solche Treffen strikt abgelehnt hatte. Auch zugunsten Andrej Sacharows oder Alexander Ginzburgs engagierte sich die Carter-Administration. Wie hart der Schnitt dann zum republikanischen Nachfolger Ronald Reagan war, konnte man im August 1983 erkennen, als statt Dissidenten nun auch wieder Vertreter radikaler .mtikommunistischer Befreiungsgruppen wie der Präsident des in tler Frühzeit des Kalten Krieges gegründeten «Antibolschewisti-schen Blocks der Nationen» (ABN), Jaroslaw Stetzko, ins Weiße I laus eingeladen wurden.
Die Wirkung der neuen Politik stellte sich relativ rasch ein. In den Jahren nach dem Amtsantritt Carters beriefen sich immer mehr der nach Helsinki im Ostblock gegründeten Bürgerrechtsgruppen, etwa die Charta 77 in der CSSR, aber auch zum Beispiel Ausreisewillige in der DDR, auf die Schlußakte und setzten damit ihre auf internationale Reputation hoffenden Regierungen unter erheblichen politischen Druck. Aus offizieller Sicht mußte es dort provokativ klingen, wenn es im Aufruf der Charta 77 vom 1. Januar 1977 hieß: «Die Verantwortung für die Einhaltung der Bürgerrechte im Lande obliegt selbstverständlich vor allem der politischen und staatlichen Macht. Aber nicht nur ihr. Jeder trägt sein Teil Verantwortung für die allgemeinen Verhältnisse und somit auch für die Einhaltung kodifizierter Pakte, die dazu übrigens nicht nur Regierungen, sondern alle Bürger verpflichten. Das Gefühl dieser Mitverantwortlichkeit [...] hat uns auf den Gedanken gebracht, Charta 77 zu bilden. Charta 77 ist eine freie, informelle und offene Gemeinschaft von Menschen [...], verbunden durch den Willen, sich einzeln und gemeinsam für die
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