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Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Titel: Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Stöver
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Neuauflage der Appeasement-Politik der dreißiger Jahre und sahen sich durch das sowjetische Verhalten bestätigt.
    Wie stark Carter getroffen worden war, zeigten seine Reaktionen: Schon unmittelbar nach dem sowjetischen Einmarsch forderte er die massive Erhöhung der US-Verteidigungsausgaben um jährlich fünf Prozent. Hochgerechnet hätte dies für 1985 einen Verteidigungshaushalt von 265 Milliarden Dollar bedeutet. Sein ab 1981 amtierender republikanischer Nachfolger Ronald Reagan, der nun die 1976 auf dem Parteitag der Republikaner beschlossene Formel des «Friedens durch Stärke» zu seinem Markenzeichen machte, konnte deshalb an diese Grundsatzentscheidung anknüpfen. Der reale Umfang der Verteidigungsausgaben betrug 1985 knapp 287 Milliarden Dollar. 1 Gleichzeitig veranlaßte Carter auch den Einstieg in eine völlig neue Generation von Interkontinentalraketen (Peacekeeper MX), die mit einem einzigen Träger zehn Sprengköpfe ins Ziel bringen konnten. Sie stellten gleichzeitig die bisherigen Abrüstungsabkommen in Frage.
    Der in den USA von den Verfechtern der harten Linie beklagte N iedergang der amerikanischen Autorität in der Weltpolitik ließ sich ab November 1979 dann über ein Jahr lang Tag für Tag in den Medien verfolgen. Die Besetzung der amerikanischen Botschaft in der iranischen Hauptstadt Teheran, in deren Verlauf die Botschaftsangehörigen als Geiseln genommen und in ihrer Hilflosigkeit vorgeführt wurden, stürzte die USA in eine tiefe innen- und außenpolitische Krise. Die Vorgeschichte dieses Fiaskos reichte weit in die Frühzeit des Kalten Krieges zurück, als die USA 1953 mit einem von der CIA organisierten Putsch nicht nur dafür gesorgt hatten, daß der unerwünschte iranische Ministerpräsident Mohammed Mossadegh beseitigt wurde, sondern sein US-Ireundlicher Rivale, Schah Reza Pahlewi, zurückkehren konnte. Als dieser nach über einem Vierteljahrhundert diktatorischer Herrschaft gestürzt und am 3. Februar eine Islamische Republik ausgerufen wurde, war allen klar, daß dies nicht nur wegen der Ölversorgung Probleme bereiten würde. Die Unterdrückung oppositioneller Gruppen, aber auch die laizistische Umgestaltung des Iran, die der Schah gegen alle Widerstände durchgesetzt hatte, war letztendlich immer auch den Amerikanern angelastet worden. Zwar rückte die US-Regierung noch kurz vor dessen Sturz vom Schah ab, doch dies konnte die antiamerikanischen Ressentiments nicht mehr schmälern. Daß dem krebskranken Schah aus humanitären Gründen dann im April 1979 Asyl in den USA gewährt wurde, putschte die Stimmung im Iran noch weiter auf. Insofern war es kaum überraschend, daß das neue iranische Staatsoberhaupt, der aus dem Exil zurückgekehrte Ayatollah Khomeini, den «US-Imperialismus» als zentrales Feindbild präsentierte. Die unmittelbaren Auswirkungen überraschten in Washington aber dennoch. Bereits am 14. Februar 1979 besetzten «Studenten» kurzzeitig die amerikanische Botschaft in Teheran. Ein Dreivierteljahr später folgte am 4. November dann die Geiselnahme. Über fünfzig US-Diplomaten und andere Botschaftsangehörige wurden bis zum Januar 1981, also bis zum offiziellen Regierungsantritt Reagans, festgehalten.
    Der erniedrigten Supermacht blieben die Hände gebunden, wollte sie nicht einen militärischen Konflikt riskieren, der als eine der Optionen tatsächlich im Gespräch war. Falls man die Situation nicht sofort bereinige, argumentierte Carters Berater Brzezinski, würden zentrale Probleme des Kalten Krieges im Mittleren Osten eskalieren, «mit katastrophalen internationalen Konsequenzen für die Vereinigten Staaten». 2 Es sei abzusehen, «daß unsere Position in der Golfregion ausgehöhlt wird, daß unsere Stellung in der gesamten arabischen Welt bedroht sein wird [...], daß der sowjetische Einfluß in Südwestasien anwachsen wird, daß unsere Alliierten uns als hilflos ansehen werden, daß der Ölpreis ansteigen wird, daß wir vermutlich Aufklärungseinrichtungen und Geheimdienstkapazitäten für SALT verlieren werden und daß es schließlich schwere innenpolitische Rückwirkungen geben wird». Carter entschied sich für zwei Schritte, die sowohl außen- als auch innenpolitisch Entlastung schaffen sollten. Primär an die Sowjetunion gerichtet war die am 23. Januar 1980 verkündete «Carter-Doktrin». Der Versuch einer auswärtigen Macht, die Erdölversorgung des Westens einzuschränken, hieß es dort, werde als «Angriff auf die lebenswichtigen Interessen der

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