Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters
Respektierung der Bürgerund Menschenrechte in unserem Lande und in der Welt einzusetzen [...].» 29 Bereits 1977 unterschrieben trotz der Drohung mit staatlichen Repressionen rund 800 Dissidenten den Aufruf, 1989 waren es 1800.
Vor allem Carter selbst bestand trotz heftiger Anfeindungen aus Moskau auf der Einhaltung der Zusagen von Helsinki. Bereits im Januar 1977, also noch im Monat ihres Amtsantritts, protestierte die neue US-Administration offiziell gegen die Verfolgung der Charta-77-Aktivisten um den Schriftsteller Vaclav Havel. Entsprechend heftig entluden sich auf den weiteren KSZE-Treffen die sowjetischen Proteste. Für westliche Journalisten wurde es in den folgenden Jahren nahezu zur Pflicht, zum Beispiel den seit Jahren in der UdSSR verfolgten sowjetischen Dissidenten Andrej Sacha-row und seine Frau Jelena Bonner von der Moskauer «Helsinki-Gruppe zur Verteidigung der Menschenrechte» etwa zum «Tag des politischen Gefangenen» zu interviewen und ihre Verlautbarungen im Westen zu veröffentlichen.
Es waren speziell diese Publikationen, die von der sowjetischen Regierung auch in den Jahren zuvor regelmäßig als besonderer Affront angesehen worden waren. Sacharow beispielsweise hatte sich schon 1973 direkt an den US-Kongreß gewandt, um sich für das Jackson-Vanik-Amendment einzusetzen. In den Augen der Moskauer Führung war dies eine schier unglaubliche Kampfansage gewesen. 30 Zwar hatte Breschnew noch Anfang der siebziger Jahre dafür geworben, die Dissidenten für sich zu gewinnen, doch dies war eine vorübergehende Phase gewesen. Neben Sacharow, den das KGB unter dem Decknamen Asket kontinuierlich verfolgte, war es vor allem der Literaturnobelpreisträger Alexander Solschenizyn
- ihm war der bezeichnende Deckname Pauk , «die Spinne» gegeben worden -, der von der sowjetischen Regierung um so mehr überwacht wurde, je stärker die Entspannungspolitik zur offiziellen Linie in Moskau wurde. Schon 1970 hatte der Chef des KGB, Jurij Andropow, dessen sofortige Ausweisung gefordert. «Wenn Solschenizyn nach der Verleihung des Nobelpreises weiter in unserem Land lebt, dann wird das seine Position stärken und ihm die Möglichkeit geben, seine Ansichten noch aktiver zu propagie ren.» 31 Nach einer massiven Diskreditierungskampagne wurde der Schriftsteller schließlich am 14. Februar 1974 als Feind der Sowjet-
KONJUNKTUREN DES KALTEN KRIEGES: DIE PARALLELITÄT VON ENTSPANNUNG UND
Konfrontation Die trotz Krise doch noch vereinbarte Unterzeichnung des SALT-II-Vertrags durch US-Präsident Carter und den sowjetischen Generalsekretär Breschnew am 18. Juni 1979 in Wien. Erleichtert lächelnd schüttelt Carter dem gesundheitlich bereits sichtbar angeschlagenen Breschnew die I land. Kurz danach beginnt offen die neue Eiszeit in den internationalen Ueziehungen, die unter anderem den Kalten Krieg zurück an ihren europäischen Ursprung bringt.
union ausgewiesen und siedelte zwei Jahre später, nach Zwischenaufenthalt in Europa, in die USA über. Auch hier blieb Solscheni-zyn allerdings der politisch Unbequeme, der nun zu einem Kronzeugen der Konservativen gegen die Entspannungspolitik wurde. Selbst bei öffentlichen Ehrungen warnte er regelmäßig vor Illusionen gegenüber der Sowjetunion. Bei Sacharow dauerte es noch bis 1980, ehe das KGB zuschlug. Im Januar 1980, kurz nach dem sowjetischen Einmarsch in Afghanistan, als sich das politische Klima international schlagartig verschlechterte, wurde er in einer Nacht-und-Nebel-Alction ins abgelegene Gorki verbannt. Die Moskauer Führung sorgte sogar dafür, daß in der unmittelbaren Umgebung ein eigens eingerichteter Störsender jeden Rundfunkempfang aus dem Westen verhinderte. Auch von Postsendungen wurde Sacha-row abgeschnitten. Allen anderen Mitgliedern der Helsinki-Grup-pe in der UdSSR drohte man, sie in psychiatrische Anstalten einliefern zu lassen, sollten sie ihre subversiven Tätigkeiten nicht einstellen. 32
Es waren nicht zuletzt diese von der Sowjetunion als ständige Bloßstellungen interpretierten Veröffentlichungen, die mit dazu beitrugen, daß die Abrüstungsverhandlungen zu SALT II im Jahr 1977 in eine tiefe Krise gerieten, aus der sie auch dann nicht wieder herauskamen, als der Vertrag am 18. Juni 1979 bei einem Treffen zwischen Breschnew und Carter doch noch paraphiert werden konnte. Als 1977 die Stationierung von neuen mobilen sowjetischen Mittelstreckenraketen des Typs RT-21M (SS-20 Saber ) in Mitteleuropa auf dem Gebiet der DDR und der CSSR
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