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Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Titel: Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Stöver
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bekannt wurde, die statt bisher einen nun drei Sprengköpfe gleichzeitig ins Ziel bringen konnten, stellte sich im Westen der Eindruck ein, als behandle Moskau die Abrüstungsfragen nun wieder offen als Schlachtfeld der Machtpolitik im Kalten Krieg. Für Carter stellte sich dies um so empörender dar, als seine Regierung ausdrücklich sogar die schon beschlossenen Programme für Strategische Waffen aufgeschoben oder - wie im Fall des Bl-Bombers - aufgehoben hatte. Der Kreml betonte dagegen, die Einführung sei nichts weiter als eine legitime Modernisierung und zudem ein notwendiges Gegengewicht zu überlegenen westlichen Flugzeugtypen.
    Die Folgen der Einführung der neuen Raketen waren gravierend. Die schärfste Kritik kam allerdings zunächst nicht aus Washington, sondern von den amerikanischen Verbündeten in Westeuropa, die sich nicht nur von den sowjetischen Raketen bedroht sahen, sondern auch von den USA allein gelassen fühlten. «Ich muß diese Frage in aller Offenheit und mit Nachdruck ansprechen, damit Carter endlich kapiert, worum es bei SALT geht, um das strategische Gleichgewicht, auch in Europa», erklärte der westdeutsche Bundeskanzler Helmut Schmidt damals vor Mitarbeitern in Bonn. 33 Schmidt war nicht nur verärgert über die Sowjets und die Amerikaner, die offensichtlich Europa in ihren Verhandlungen nicht genügend berücksichtigten, sondern er war auch überzeugt, daß gegenüber Moskau, trotz der Entspannungspolitik, nur Entschlossenheit helfen konnte. Dazu trug bei, daß die Bundesrepublik zu diesem Zeitpunkt ganz unter dem Eindruck der Entführung des Arbeitgeberpräsidenten Hanns-Martin
    Schleyer durch die Rote-Armee-Fraktion stand, bei der vier Begleiter erschossen worden waren. Schmidt war auch in diesem Fall entschlossen, den Forderungen der Entführer, die elf Mitglieder der westdeutschen Terrorszene freipressen wollten, keinesfalls nachzugeben, um sich nicht für die Zukunft erpreßbar zu machen. Seine Rede im International Institute for Strategie Studies in London am 28. Oktober 1977 - nur zehn Tage, nachdem das Geiseldrama mit der Erstürmung einer entführten deutschen Passagier-maschine in Mogadischu und dem Tod Schleyers seinen blutigen Endpunkt erreicht hatte - wurde zum Bekenntnis, daß auch die Fntspannungspolitik keinesfalls bedeuten dürfe, sich erpreßbar zu machen. In der Sache forderte Schmidt die Ausweitung der Rüstungsbeschränkung auf Europa - und damit faktisch einen Abzug der sowjetischen SS-20 - oder aber eine «Nachrüstung» bei den mobilen NATO-Mittelstreckenwaffen. Dies alles erwies sich als Wasser auf die Mühlen der Entspannungsgegner auf beiden Seiten. Während in den USA die Republikaner immer lauter den angeblichen Verlust amerikanischer Stärke beklagten, waren auch im Kreml die «Falken» immer deutlicher zu vernehmen. Auch hier argwöhnte man, die andere Seite benutze Entspannungspolitik nur als Waffe im Kalten Krieg. Besonders mißtrauisch beäugte Breschnew Carters Sicherheitsberater, den gebürtigen Polen Zbigniew Brzezinski, der sich als Autor des Bandes Tota-litarian Dictatorship bereits in den fünfziger Jahren den Zorn der KPdSU zugezogen hatte. Als Carter auf dessen Rat dann tatsächlich 1979 offizielle Beziehungen zu Peking aufnahm, am Ende des Jahres der lange erwartete NATO-Nachrüstungsbeschluß verabschiedet wurde und die Sowjetunion in Afghanistan einmarschierte, war dies gleichbedeutend mit dem einstweiligen Ende der Entspannungsphase. Der Kalte Krieg ging in eine neue, diesmal wieder deutlich offensivere Runde.

11. Afghanistan und Krieg der Sterne: Die Rückkehr zur Konfrontation seit 1978
Der sowjetische Einmarsch in Afghanistan
    Das Klima zwischen den Supermächten war bereits weitgehend zerstört, als die Sowjetunion sich am 24. Dezember 1979 dazu entschloß, in Afghanistan einzumarschieren. US-Präsident Carter, der, wie das von den Presseagenturen verbreitete Bild zur Unterzeichnung des SALT-II-Vertrags am 18.Juni 1979 in Wien zeigte, noch erleichtert lächelnd dem sowjetischen Staats- und Parteichef Breschnew die Hand geschüttelt hatte, sah seine jahrelangen Abrüstungsbemühungen diskreditiert. Vor allem aber fühlte er sich persönlich von den Sowjets hintergangen. Trotzdem rang er noch hart darum, daß der Vertrag im US-Kongreß ratifiziert werden konnte. Es mißlang, weil der Begriff der Entspannung in den USA, aber auch in anderen Ländern des Westens bereits zum Unwort geworden war. Die Gegner hielten sie schlicht für eine

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