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Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Titel: Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Stöver
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Kohl. Hier kam es zu dem weltweit Aufsehen erregenden Vergleich Gorbatschows mit dem NS-Propagandisten Joseph Goebbels. Der neue sowjetische Generalsekretär, so hatte Kohl dort verlautbart, sei zweifellos «ein moderner kommunistischer Führer», der etwas von Public Relations verstehe. Allerdings habe auch Goebbels etwas davon verstanden. 2 US-Präsident Reagan wiederum weigerte sich zunächst prinzipiell, überhaupt über Begrenzungen seines SDI-Programms zu diskutieren. Heftige Kritik kam insbesondere auch von den radikalen antikommunistischen Gruppen, die in den achtziger Jahren eine besondere Aufwertung erfahren hatten. Auch hier sprach man von taktischen Manövern der Sowjets im Kalten Krieg. 3 Gorbatschow hat in seinem 1987 auch in englischer und deutscher Sprache vorgelegten Buch Perestroika ausführlich über das Mißtrauen gesprochen, das ihm aus dem Westen entgegenschlug. «Offizielle Kreise des Westens und die meisten der westlichen Massenmedien hatten zunächst wenig Vertrauen in die Durchführbarkeit der Reformen [...]. Sarkastische Kommentare überwogen. [...] Hier zeigt sich einmal mehr, wie zäh das Denken des Kalten Krieges sich behaupten kann und wie tief die Wurzeln des antisowjetischen Denkens in gewissen Kreisen gehen.» 4 Trotzdem setzte sich allmählich der Vertrauensvorschuß durch. Reagan reagierte - nicht zuletzt wieder unter dem Druck der amerikanischen Öffentlichkeit -schließlich entgegenkommend, wenngleich der Kalte Krieg auf anderen Gebieten nach wie vor fortgesetzt wurde. Während in Mittelamerika die antikommunistischen Contras mit amerikanischer Unterstützung die von der Sowjetunion protegierte sandi-nistische Regierung in Nicaragua zu beseitigen suchten, sagte Reagan Gorbatschow am 30. September 1986 seine Teilnahme für ein von Moskau vorgeschlagenes Treffen auf Island zu. In der «Revolution von Reykjavik», wie Henry Kissinger die Konferenz später nannte, 5 wurde unter anderem die Beseitigung aller Mittelstreckenraketen in Europa und die Reduzierung aller Strategischen Waffen um fünfzig Prozent vereinbart. Als das INF-Ab-kommen unterschrieben war, konnten nicht nur alle Kurz- und Mittelstreckenraketen aus Europa abgezogen werden. Die Verhandlungen brachten auch auf anderen Gebieten jahrelang festgefahrene Probleme des Kalten Krieges wieder in Bewegung, so zum Beispiel den endgültigen Abzug der UdSSR aus Afghanistan, die Beendigung des Iran-Irak-Krieges und den Rückzug kubanischer und sowjetischer Truppen aus Angola.
    Uneigennützig waren Gorbatschows Angebote freilich nicht. Seine Reformen sollten die UdSSR für die Zukunft stärken. Die Sowjetunion stand unter dem Druck der dramatischen Haushaltsdefizite, in denen die Rüstungskosten besonders zu Buche schlugen. Man hat errechnet, daß die UdSSR kurz vor dem Abschluß des

    «die Revolution von REYKJAVIK» 1986 Das Treffen zwischen Gorbatschow und Reagan in Reykjavik am 11. und 12. Oktober 1986 war einer der zentralen Wendepunkte des Kalten Krieges. Es machte gleichzeitig erneut deutlich, welche wichtige Rolle die Wahrnehmung spielte. Die Verhandlungen entwickelten schließlich eine Eigendynamik, als Reagan die umfassenden Angebote Gorbatschows noch erweiterte.
    INF-Vertrags 1987 kaum weniger Geld in die Rüstung investierte als die wirtschaftlich ungleich stärkeren USA: Umgerechnet 260 Milliarden Dollar pumpte Moskau in das Militär, Washington gab im selben Jahr 290 Milliarden Dollar aus. 6
    Auch der außenpolitische Rückzug der UdSSR, den Gorbatschow schließlich einleitete, war nicht zuletzt eine finanzpolitische Entlastungsmaßnahme, die allerdings einer besonderen Begründung bedurfte. Gorbatschows «Neues Denken» erklärte den außenpolitischen Rückzug als eine Notwendigkeit, um den Sozialismus weiterzuentwickeln. Er sei kein Zeichen der Schwäche, sondern ein Weg, um das Ansehen der UdSSR zu steigern. Ein freier Freund sei nützlicher als ein Vasall. Bereits auf dem XXVII. Parteitag 1986 unterstrich Gorbatschow, auch die Länder der Dritten Welt müßten nun den Sozialismus aus eigener Kraft aufbauen. Die Hilfen an Kuba, an afrikanische und südostasiatische Staaten wurden stark eingeschränkt oder völlig beendet. Für einige Länder bedeutete dies den wirtschaftlichen Bankrott und den Zwang, sich zu öffnen. Kuba ließ marktwirtschaftliche Reformen zu, andere, wie Nordkorea, versuchten, wie bisher weiterzumachen, und kämpften mit dramatischen Versorgungsengpässen. Für eine weitere Gruppe von Staaten, zum

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