Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters
Beispiel Kambodscha, bedeutete es langfristig das Ende des Bürgerkriegs, da Moskau auch die Hilfen für Vietnam strich und Hanoi sich deswegen bis 1989 aus dem Konflikt im Nachbarland zurückzog.
Das «Neue Denken» brach aber vor allem mit dem Konzept der «beschränkten Souveränität» der sozialistischen Staaten, der sogenannten «Breschnew-Doktrin», und ersetzte es durch eine Idee, die der Sprecher des sowjetischen Außenministeriums, Gennadi Ge-rassimow, 1989 im Rückblick ironisch als «Sinatra-Doktrin» («I did it my way») bezeichnet hat. 7 Jedes sozialistische Land habe, erklärte Gorbatschow in verschiedenen Reden seit April 1986, die Freiheit, den «eigenen Weg» zu gehen. Im Rückblick galt vielen die Aufgabe der Breschnew-Doktrin als der eigentliche Anfang vom Ende des Ostblocks.
Kampf um Bürgerrechte und Demokratie
Die Regierungen der «Bruderstaaten» der UdSSR reagierten mit ganz unterschiedlichen Strategien auf den sowjetischen Kurswechsel. Vier unterschiedliche Muster lassen sich erkennen: Ungeteilte Zustimmung kam aus Polen und Ungarn, offene Ablehnung aus Rumänien, Albanien und der DDR. Taktisch reagierten die Regierungen in Bulgarien und der Tschechoslowakei, die zunächst mit eigenen Vorschlägen versuchten, sich als Vorreiter der Reformbewegung darzustellen. Das blockfreie Jugoslawien verwies auf bereits vollzogene Reformen und lehnte weitere Änderungen ab. 8
Polen und Ungarn waren seit Jahrzehnten die politischen Ausnahmen im sowjetischen Machtbereich. Beide wurden im Sommer 1989 auch Vorreiter der Revolutionen, die das Ende des Ostblocks einläuteten. Ungarns jahrzehntelang praktizierte Strategie bestand darin, kleinere ökonomische Reformen zuzulassen, ohne die grundsätzliche politische Stabilität oder die sowjetischen Anforderungen in Frage zu stellen. 9 Der landläufig so bezeichnete «Gulasch-Kommunismus» unter Jänos Kädär war allerdings Anfang der achtziger Jahre bereits so heftig an seine Grenzen gestoßen, daß sogar die Kommunistische Partei und die Presse ganz offen über Veränderungen diskutierten, die bisher als absolutes Tabu galten: marktwirtschaftliche Reformen und Annäherung an die Europäische Gemeinschaft. Im Mai 1988 kam der Durchbruch, als die «Außerordentliche Konferenz der Kommunistischen Partei Ungarns» beschloß, mehr als die Hälfte des Politbüros und mit ihr einen Großteil der alten Eliten gegen Reformer auszutauschen. Den langjährigen Partei- und Staatschef Kädär ersetzte man zunächst durch den zum konservativen Reformflügel gehörenden Ministerpräsidenten Käroly Grosz, der allerdings bereits sechs Monate später durch den Wirtschaftsexperten und Verfechter eines «sozialistischen Pluralismus», Miklös Nemeth, abgelöst wurde. Schon nach den ersten freien Wahlen im Frühjahr 1990 waren die Kommunisten im ungarischen Parlament gar nicht mehr vertreten. Die Ungarn setzten wieder dort an, wo sie 1956 gestoppt wurden: Ministerpräsident wurde der ehemalige Vorsitzende des Revolutionsausschusses während des Ungarischen Aufstands, Jözsef Antall. Für die Welt wurde der revolutionäre Wandel, den Ungarn durchlebte, vor allem in zwei weiteren Ereignissen erkennbar: Zum einen wurde Imre Nagy, der 1958 hingerichtete Führer des Ungarischen Aufstands, posthum rehabilitiert und am 16.Juni 1989 feierlich in ein Ehrengrab umgebettet. Zum anderen öffnete Ungarn am 2. Mai 1989 erste Abschnitte seiner Westgrenze. Der Eiserne Vorhang war offen. Einige Monate später nutzten vor allem Urlauber aus der DDR diesen Fluchtweg. Am Jahrestag des sowjetischen Einmarschs zur Niederschlagung des Ungarischen Aufstands, am 23. Oktober 1989, erklärte sich Ungarn feierlich zur Republik.
In Polen, dem traditionell politisch unruhigsten Mitglied des Ostblocks, verlief der Wandel dramatischer. 10 Nachdem Jaruzelski am 13. Dezember 1981 das Kriegsrecht verhängt hatte, das für etwa anderthalb Jahre aufrechterhalten wurde, hatte man versucht, zur Normalität zurückzufinden. Die Ermordung des oppositionellen Priesters Jerzy Popieluszko durch die polnische Staatssicherheit im Herbst 1984, für die Jaruzelski als Regierungschef schließlich die Verantwortung übernahm, zeigte jedoch, wie weit das Land von diesem Alltag entfernt war. Das feierlich geschmückte Grab Popiehiszlcos wurde zum Mahnmal gegen die Willkür der polnischen Regierung. Doch auch Jaruzelski leitete bereits kleinere Wirtschaftsreformen ein, die schließlich sogar bei Gorbatschow auf Anerkennung
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