Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters
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DIE FRIEDENSBEWEGUNG IN DER DDR: «SCHWERTER ZU PFLUGSCHAREN» Das Symbol «Schwerter zu Pflugscharen», das 1981 von der DDR-Friedensbewegung zum Erkennungszeichen gewählt wurde, ging auf die von der UdSSR gespendeten Plastik des sowjetischen Bildhauers Jewgeni Wutschetitsch zurück (links). Rund 100 000 Symbole wurden in der DDR verbreitet, bevor die SED diese 1982 verbot.
zuführen. Aus Sicht der DDR-Führung sollte dies eine Reaktion auf den «subversiven Einfluß» des KSZE-Entspannungsprozesses sein. Ihr Symbol fand die Friedensbewegung in der DDR im November 1980 während der sogenannten Friedensdekade der Evangelischen und der Freikirchen. Die Dekade stand unter dem Bibelspruch «Schwerter zu Pflugscharen» und wurde vor allem durch die massenhafte Verbreitung des zugehörigen Symbols bekannt. Aus SED-Sicht war es besonders perfide, daß man als Zeichen für diese Subversion ausgerechnet die berühmte gleichnamige Plastik des sowjetischen Bildhauers Jewgeni Wutschetitsch auswählte, die Chruschtschow in den Fünfzigern der UNO vermacht hatte und die nun in New York stand. Ein Verbot der massenhaft verbreiteten Symbole war allein schon deshalb nicht ratsam. Zum öffentlichen Ereignis wurde dann die Beteiligung der DDR-Frie-densbewegung am europaweit durchgeführten «Olof-Palme-Frie-densmarsch», mit dem im September 1987 gegen die Stationierung von Atomraketen im Westen, aber auch im Osten protestiert wurde. Demonstrativ wurde auch hier das Symbol gezeigt. Versuche der SED, die Bewegung wieder auf die parteioffizielle Linie zu bringen («Gegen NATO-Waffen Frieden schaffen»), scheiterten ebenso wie der Versuch, die westdeutsche Friedensbewegung politisch zu instrumentalisieren. Im Gegenteil: Als Petra Kelly von den westdeutschen Grünen im selben Jahr mit Honecker in Ostberlin zusammentraf, trug sie demonstrativ nicht nur ein T-Shirt mit der von der SED jahrelang bekämpften Aufschrift «Schwerter zu Pflugscharen». Sie sprach darüber hinaus auch offensiv die Repressalien an, denen die DDR-Friedensbewegung ausgesetzt war. Die innenpolitische Opposition in Ostdeutschland wäre allerdings wohl trotzdem weiterhin politisch marginalisiert geblieben, wenn sie nicht ihre Schubkraft durch die politische Revolution erhalten hätte, die nun ausgerechnet von der Führungsmacht des Ostblocks ausging. Das durch den neuen sowjetischen Generalsekretär Michail Gorbatschow 1985 zunächst der UdSSR verordnete «Neue Denken» war der Schub, der die Reformbewegungen überall im sowjetischen Machtbereich förderte, damit aber auch - politisch ungewollt - den gesamten Ostblock aus den Angeln hob.
12. Der «Gorbatschow-Faktor»: Die Auflösung des Ostblocks 1985-1991
Gorbatschow und das «Neue Denken»
Viel deutlicher, als man im Westen vermutete, bot die Sowjetunion Ende der siebziger und Anfang der achtziger Jahre im Innern ein desaströses Bild. Breschnew war, wie man heute weiß, seit seinem schweren Schlaganfall 1976 politisch kaum mehr handlungsfähig. Schon Jahre vor dem Einmarsch der Sowjetunion in Afghanistan brodelten die Gerüchte um den Gesundheitszustand des Generalsekretärs der KPdSU unaufhörlich. Meldungen über seine angebliche Absetzung oder über Flügelkämpfe in der Partei kursierten regelmäßig unter den in Moskau akkreditierten westlichen Korrespondenten. Sie konnten allerdings im Mai 1978 zumindest zum Teil ausgeräumt werden, als Breschnew die Bundesrepublik besuchte, um hier unter anderem über die drohende Einführung der Neutronenbombe zu sprechen. Auch bei diesem Besuch war er aber ungewöhnlich früh vom offiziellen Empfang in Bonn aufgebrochen - ohne das Ständchen des Kinderchors abzuwarten. Dies war allerdings dann der Tatsache zugeschrieben worden, daß er sich heimlich aus der von der sowjetischen Delegation mitgebrachten Wodkaflasche hatte bewirten lassen. 1 Daß Breschnew gesundheitlich schwer angeschlagen war, konnte man vielleicht im Westen einige Zeit verheimlichen. In der sowjetischen Führung war dies nicht möglich. Bereits die Entscheidung -.um Einmarsch in Afghanistan traf 1979 KGB-Chef Juri Andropow, ler dann nach Breschnews zwar lange erwartetem, dann aber loch überraschendem Tod am 10. November 1982 auch die Regierungsgeschäfte übernahm. Die Führungskrise setzte sich jedoch fort. Zwei Jahre nach Breschnews Ableben starb auch sein Nachfolger Andropow (9.2.1984), der bereits zum Zeitpunkt seiner Wahl mit 68 Jahren der älteste jemals in der
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