Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters
nichtkommunistische Demokratische Partei Albaniens übernahm nach weiteren Unruhen und den vorgezogenen Neuwahlen am 22. März 1992 mit einer Mehrheit von fast zwei Dritteln die Regierungsverantwortung. Auch hier hielt die Kommunistische Partei dem Druck freier Wahlen nicht stand: Sie löste sich bereits im Juni 1991 auf.
Die neben Rumänien wohl dramatischsten Erschütterungen gab es am Ende des Kalten Krieges in Jugoslawien, das unter Tito so erfolgreich zwischen den Blöcken balancieren konnte. Der von Serbien dominierte Vielvölkerstaat war der einzige, der auf die ost-mitteleuropäische Reformbewegung mit militärischen Operationen reagierte. 15 Wahrscheinlich waren es das aus der Blockfreiheit erwachsene Selbstbewußtsein der jugoslawischen Zentralregierung in Belgrad und die hier besonders verwurzelte Vorstellung, viele Reformen bereits unter Tito verwirklicht zu haben, die den Vielvölkerstaat zu einem der Schlußlichter der Reformbewegung in Ostmitteleuropa machten. Die eigentlichen Ursachen der Probleme, die dann im letzten Drittel der achtziger Jahre an die Oberfläche kamen, lagen jedoch viel weiter zurück und vermischten sich nur mit den Umwälzungen, die durch die Perestroika ausgelöst worden waren. Bereits der Tod Titos am 4. Mai 1980 hatte die traditionellen Rivalitäten zwischen den unterschiedlich starken Republiken wieder sichtbar gemacht. Als im Mai 1987 Slobodan Milosevic die Präsidentschaft Jugoslawiens übernahm, eskalierten die Probleme rasch. Milosevic trat mit einem unverhüllten serbischen Nationalismus an, der in den anderen Landesteilen auf Bestürzung und Mißtrauen traf. Im Sommer 1989 erreichte die nationalistische Mobilisierung Serbiens mit der 600-Jahr-Feier der Schlacht gegen die Türken auf dem Amselfeld (Kosovo polje) ihren einstweiligen Höhepunkt. Schon seit Oktober 1988 war die Zentralregierung in Belgrad auch massiv gegen den von der Verfassung garantierten Autonomiestatus der Provinzen Kosovo und Wojwodina vorgegangen. Aufkeimender Widerstand wurde von serbischen Polizei- und Armeeeinheiten rigoros unterdrückt.
Die Infragestellung der von Tito zugesicherten Autonomie wirkte sofort auf die Einzelrepubliken. Auf den ersten Blick hatte dies zwar wenig mit dem Umbruch in Ostmitteleuropa zu tun, doch war durch Gorbatschows Reformen auch in den nichtserbischen Republiken, die nun ebenso um ihre Autonomie fürchteten, das Selbstbewußtsein gewachsen. Slowenien bot 1989 demonstrativ den Kosovo-Albanern seine Unterstützung an. Die Antwort Belgrads folgte auf dem Fuße und ließ die Situation weiter eskalieren. Milosevic verhängte einen Handelsboykott, auf den die ökonomisch starke slowenische Teilrepublik wiederum mit einer Einstellung ihrer Zahlungen an die Bundeskasse in Belgrad reagierte. Als überdies die slowenischen Kommunisten im Februar 1990 auf dem Parteitag der jugoslawischen KP demonstrativ aus dem Bund austraten, war die Staatskrise perfekt. Nach den ersten freien Wahlen im April 1990 erklärte sich Slowenien als erster Teil Jugoslawiens am 25. Juni 1991 für unabhängig.
Die Reaktion Belgrads fiel überraschend nachgiebig aus, wenngleich es zu einzelnen Schießereien kam. Mit Vermittlung der Europäischen Gemeinschaft konnte schon zwei Wochen später auf der Insel Brioni ein Friedensvertrag unterzeichnet werden. Diese weiche Linie Belgrads änderte sich wenig später. Im Laufe des Jahres 1990 hatten in allen jugoslawischen Republiken zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg freie Wahlen stattgefunden. Mit Ausnahme Serbiens und Montenegros waren überall die Kommunisten abgewählt worden. Diese freien Wahlen werden allgemein als der Anfang vom Ende Gesamtjugoslawiens betrachtet, da nun in den Einzelrepubliken Politiker an die Macht kamen, die ihrerseits Nationalstaatspolitik betrieben. Die Unabhängigkeitserklärung Kroatiens am 19. Mai 1991 nahm die Zentralregierung in Belgrad nicht mehr hin. Nach vereinzelten Schießereien zwischen Angehörigen der serbischen Minderheit und kroatischen Polizisten seit Ende März eskalierte der Konflikt hier in dem Moment, als die serbischen Gebiete in Kroatien im Dezember 1991 ihren Anschluß an Serbien erklärten. Der sich nun entwickelnde blutige Bürgerkrieg, der allerdings bereits nichts mehr mit den Fronten des Kalten Krieges zu tun hatte, hielt dann über das Ende des globalen Konflikts hinaus an. Die Bundesregierung, die auf dem Zusammenhalt Jugoslawiens beharrte, führte in der Folge auch gegen andere abtrünnige
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