Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters
Überfall Nordkoreas auf Südkorea waren aus Moskauer Sicht Versuche, klare Fronten für die kommende Auseinandersetzung zu schaffen und gleichzeitig die Verletzlichkeit des Westens zu testen. Aus westlicher Sicht waren sie nur weitere Aggressionen Stalins, aus denen man erneut ableitete, daß der Kommunismus allein auf Konsequenz und Härte reagiere. Diese Einstellungen wurden zu einer festen Größe westlicher Strategie bis zum Ende des Kalten Krieges. In beiden Krisen rückten die Lager enger zusammen. Die formalen Vertragsabschlüsse zur Blockbildung zogen sich allerdings noch bis 1955 hin.
Der Beginn der Ersten Berlinkrise hing eng mit den Notwendigkeiten zusammen, die auf den Marshall-Plan zurückgingen. Eine Voraussetzung für den Erfolg des ERP in Westeuropa und überhaupt des Wiederaufbaus waren klare ökonomische Verhältnisse. Insbesondere brauchte man auf beiden Seiten Deutschlands eine Währungsreform, die in den Westzonen am 20. Juni 1948 begann. In der SBZ erfolgte sie drei Tage später. Die Einführung des neuen Geldes im Westteil Berlins war dann auch der Beginn der sowjetischen Blockade. Entsprechend lautete die Begründung Moskaus. «Im Zusammenhang mit der separaten Währungsreform in den westlichen Besatzungszonen Deutschlands», hieß es in der öffentlichen Erklärung vom 18.Juni 1948, sehe man sich gezwungen, «zum Schutze der Interessen der Bevölkerung und der Wirtschaft der sowjetischen Zone sowie zur Vorbeugung einer Desorganisation des Geldumlaufs» den Interzonenverkehr zu unterbrechen. 1 Da die Behinderungen der freien Versorgung Berlins aufgrund von angeblichen technischen Störungen jedoch bereits Anfang 1948 begonnen hatten, liegt man nicht falsch, wenn man sie als Versuch betrachtet, für die erwartete Auseinandersetzung klare Fronten zu schaffen. Am 24. Januar war ein britischer Militärzug an der Kontrollstelle Marienborn zum ersten Mal an der Weiterfahrt gehindert worden. Am 20. März verließ der sowjetische Vertreter, Marschall Sokolowski, den Alliierten Kontrollrat, drei Monate später boykottierte man auch die gemeinsame Kommandantura. Ab Ende Juni zog Stalin die Schlinge fast vollständig zu: Bahntras-sen, Binnenschiffahrt und Straßen wurden unterbrochen, zuletzt auch die Stromversorgung gekappt. Außer der Verbindung in den Ostteil Berlins, den die Sowjets aus politisch-propagandistischen Gründen offen ließen, waren allein die durch interalliierte Verträge gesicherten Luftkorridore nicht von der Sperre betroffen. Hier vermutete Stalin wohl zu Recht, dies werde zum militärischen Konflikt führen. Aber auch ohne direkte militärische Auseinandersetzungen demonstrierte die Erste Berlinkrise, daß man sich hier in einer Art Krieg befand: Die Bevölkerung einer halben Stadt mit rund 2,1 Millionen Einwohnern wurde durch Unterbindung ihrer lebensnotwendigen Einrichtungen bis hin zur Abwasserentsorgung und Energielieferung zu einer belagerten Stadt, ihre Bewohner zu Geiseln. Dies kannte man bis dahin nur aus militärischen Konflikten. Entsprechend war auch die Rhetorik. In einer berühmten Ansprache am 11. Juli 1948 zog der gewählte, aber von den Sowjets am Amtsantritt gehinderte Oberbürgermeister für Gesamt-Berlin, Ernst Reuter, dann auch einen bemerkenswerten Vergleich mit dem Zweiten Weltkrieg: «Wir in Berlin sind das Stalingrad der deutschen Freiheit! An diesem Punkte werden die Wellen sich brechen [,..].» 2
Die Westmächte waren 1948/49, ebenso wie in der zehn Jahre später folgenden Zweiten Berlinkrise, gewillt, ihre Rechte in der Stadt - und damit auch die Existenz von Westberlin - zu verteidigen. Am 28.Juni 1948 fiel die offizielle Entscheidung Trumans, die amerikanische Präsenz in Berlin aufrechtzuerhalten. Sowohl 1948/49 als auch 1958/61 wurde eine Aufgabe der Stadt mit einer gravierenden Niederlage im globalen Konflikt mit dem Kommunismus gleichgesetzt. Als man im Juli 1948 die Amerikaner in einer repräsentativen Erhebung befragte, waren rund achtzig Prozent dafür, amerikanische Truppen in Berlin zu belassen, selbst wenn dies Krieg mit den Russen bedeute. 3 In einer mit giganti-
die erste Berlinkrise 1948/49 Die Luftbrücke der Westalliierten für Westberlin war nicht nur die Versorgung einer Millionenstadt, sondern vor allem das Versprechen, den Westteil Berlins gegen die Sowjets zu halten, selbst wenn es zu einem Atomkrieg kommen würde. Zumindest die Drohung stand 1948/49 im Raum.
schem Aufwand aufrechterhaltenen Luftbrücke versorgten die
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