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Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Titel: Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Stöver
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UNO-Satzung die «Hauptverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit» (Art. 24) tragen sollte. 33 Ihm gehörten schließlich fünf Großmächte (USA, Großbritannien, Frankreich, UdSSR und China) an sowie sechs (ab 1965: 10) weitere, von der Generalversammlung mit Zwei-Drittel-Mehr-heit gewählte nichtständige Mitglieder. Wie in der sogenannten Jalta-Formel 1945 vereinbart, zählte hier nur die gemeinsame Entscheidung der ständigen Mitglieder. Das hieß aber gleichzeitig auch, daß jedes Veto einer Großmacht eine gemeinsame Entscheidung blockierte. Die UNO, deren Generalversammlung ab 1953 in dem markanten Gebäude in New York tagte, entwickelte sich daher zwangsläufig zum Kampfplatz der Blöcke des Kalten Krieges. Bereits 1946 und 1947 legte die UdSSR jeweils sieben Mal ihr Veto ein, vor allem wegen des Griechischen Bürgerkriegs. 34 Einsprüche der anderen Mitglieder waren im Vergleich zur UdSSR eher die Ausnahme. Großbritannien und Frankreich legten ihr Veto wiederholt in der Palästina- oder der Südafrika-Frage ein, Großbritannien allein mehrfach wegen der britischen Kolonie Rhodesien. In den folgenden Jahren war es insbesondere auch die Aufnahme von neuen Mitgliedern, die ein Politikum darstellte. Nicht nur den ehemaligen Feindstaaten verweigerte man lange die Mitgliedschaft, sondern die Sowjetunion verhinderte auch die Aufnahme von Ländern wie Ceylon (1948) oder Kuwait (1961), weil sie den Westen bei Abstimmungen stärken konnten. Weit weniger häufig sprachen sich die anderen Ständigen Mitglieder gegen Neuaufnahmen aus. Die USA votierten 1975 etwa gegen die Aufnahme des wiedervereinigten Vietnam und China sprach sich 1955 gegen die Zulassung der Mongolei aus. Auch wem die in Artikel 4 der UNO-Charta vorgeschriebene Eigenschaft «friedliebend» zuerkannt werden sollte, konnte im Einzelfall lange strittig bleiben und Neuaufnahmen verzögern. Die beiden deutschen Staaten wurden erst
    1973 Mitglieder der Vereinten Nationen.
    Einer der offensichtlichsten Geburtsfehler der UNO war jedoch die nur indirekte Berücksichtigung der Dritten und Vierten Welt, die man später als die sogenannten Entwicklungsländer zusammenfaßte. Zwar war ein eigener Wirtschafts- und Sozialrat für diese Gebiete zuständig. Er sah sich aber lediglich befugt, Empfehlungen abzugeben, Konferenzen zu organisieren oder Kommissionen einzusetzen. Die mit Artikel 71 der UNO-Charta offiziell eingeführten Nichtregierungsorganisationen (NGO) hatten ebenfalls nur eine beratende Stimme. Später konnten immerhin eigene NGO-Foren eingerichtet werden, etwa für Frauen und Umwelt. Noch gravierender aber war, daß Kolonialstaaten in dieser Definition gar nicht vorkamen. Die UNO-Charta stellte 1945 lediglich die Existenz solcher «Hoheitsgebiete ohne Selbstregierung» (Art. 73) fest. Es war zudem möglich, in die Unabhängigkeit entlassene Gebiete nach Artikel 82 als «strategische Zone» zu definieren und dem Sicherheitsrat direkt zu unterstellen. Erst im Dezember 1960 verabschiedete die UNO dann die berühmte Resolution 1514, die «Erklärung über die Gewährung der Unabhängigkeit an koloniale Länder und Völker», in der ausdrücklich das Recht auf Unabhängigkeit sowie die Überzeugung unterstrichen wurde, daß «das Fortbestehen des Kolonialismus [...] dem Ideal der Vereinten Nationen von einem weltweiten Frieden entgegensteht». 35 Aber auch dies war keineswegs unumstritten: Neun Staaten stimmten dagegen, unter ihnen auch die USA, Großbritannien und Frankreich. Alle drei befürchteten, daß die freigegebenen Gebiete sich auf die Seite der Sowjetunion oder der Blockfreienbewegung stellen würden. Im Zuge der am Beginn der sechziger Jahre verstärkt fortgeführten Dekolonisierung bildeten ehemalige Kolonien schließlich sogar die Mehrheit in der UNO. Allein zwischen 1945 und
    1974 kamen 87 neugegründete Staaten hinzu. Afrika war daher ab 1966 in der Lage, drei der zehn Sitze im Sicherheitsrat einzunehmen.
    George Kennan hatte alles bereits in seinem «Langen Telegramm» 1946 befürchtet. «Moskau», hieß es dort, «sieht die UNO nicht als einen Mechanismus für eine stabile Weltgemeinschaft [...], sondern als eine Arena, in der man die eigenen Ziele mit Aussicht auf Gewinn verfolgen kann.» 36 Das stimmte nur zum Teil, weil auch am Rande von UN-Vollversammlungen Konflikte gelöst werden konnten, wie sich 1949 in der Ersten Berlinkrise zeigte. Darüber hinaus waren die Befugnisse der UNO bei Einigkeit

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