Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters
Westmächte die Stadt, bis die Sowjets die Zufahrtswege wieder öffneten. Vom finanziellen Standpunkt aus sah der maßgeblich von General Lucius D. Clay organisierte «Berlin-Lift» wie ein grandioses Verlustgeschäft aus. Politisch-psychologisch war er allerdings unbezahlbar. Die Westmächte hatten gezeigt, daß sie bereit waren, für den Verbleib einer fremden Stadt im eigenen Lager einen Krieg zu riskieren. Westberlin wurde damit zu einem politischen Symbol. Spätestens jetzt waren für alle die Fronten klar.
Für die Wahrnehmung des Kalten Krieges spielte eine wesentliche Rolle, daß bereits in dieser ersten gravierenden Krise Nuklearwaffen eine deutliche, wenn auch letztendlich eher symbolische Rolle spielten. Unmittelbar mit Beginn der Blockade hatte man in den USA und Großbritannien begonnen, über den Einsatz militärischer Mittel zu diskutieren. Nachdem erste Überlegungen, militärisch gesicherte Konvois auf dem Landweg nach Berlin zu schicken, rasch verworfen worden waren, wurde entschieden, zumindest einige weitere der als «Atombomber» bekannten Boeing B-29 nach Westdeutschland und Großbritannien zu verlegen. Die Verbände, die unter der Verantwortung des neugegründeten amerikanischen «Strategischen Luftkommandos» (SAC) und ihres damals gerade berufenen Befehlshabers Curtis LeMay standen, flogen noch im Juli 1948 zu ihren neuen Stützpunkten und wurden dort in ständiger Alarmbereitschaft gehalten. LeMay, unter dem das SAC dann zu einer der zentralen Einrichtungen des Kalten Krieges aufgebaut wurde, war auch den Sowjets kein Unbekannter. Insbesondere Clay war überzeugt, daß Moskau vor allem die US-Luftwaffe fürchtete. 4 Tatsächlich versetzten die Sowjets ihre Luftabwehr jedesmal in Alarmbereitschaft, wenn sie über B-29-Flü-ge Kenntnis erhielten. Die häufig kolportierte Annahme allerdings, Truman habe tatsächlich mit dem Einsatz von Nuklearwaffen im Kampf um Berlin gespielt, ist eine Legende. Zwar sind auch von Clay Bemerkungen überliefert, die deutlich machen, daß der Einsatz von Atomwaffen vorgesehen war, falls sich die Berlinkrise unkontrollierbar ausdehne. Dies bezog sich jedoch regelmäßig auf die Annahme, daß dann bereits ein militärischer Konflikt zwischen den USA und der UdSSR begonnen habe. Andere wurden deutlicher: Clays Stabschef Clarence Huebner schlug intern den demonstrativen Abwurf einer Atombombe vor, um die Sowjets ein-zuschüchtern. 5 Auch Churchill spielte damals mit diesem Gedanken. 6 Notwendig wurde dies alles nicht mehr. Angesichts der gelungenen Versorgung der Stadt auf dem Luftweg hob Stalin am 12. Mai 1949 die Blockade Westberlins wieder auf.
Für die Unnachgiebigkeit der Westmächte in Berlin 1948/49 war es nicht unbedeutend gewesen, daß Stalin durch den sich parallel zur Berlinkrise entwickelnden Streit mit Tito unter Druck stand. 7 Latente Konflikte zwischen beiden während des Krieges hatten ihre Fortsetzung seit 1946 gefunden, als Jugoslawien trotz anderslautender Weisungen aus Moskau die in Griechenland tätigen kommunistischen Partisanen unterstützte, die gegen die griechische Regierung kämpften. Stalin hatte dieses Vorgehen vor allem aus pragmatischen Erwägungen scharf kritisiert. Der entscheidende Grund für das sowjetisch-jugoslawische Zerwürfnis war jedoch wohl ein anderer Teil von Titos eigenständiger Außenpolitik gewesen: seine Planungen für eine Balkanföderation mit Albanien und Bulgarien. Aus Stalins Sicht hätte sie nicht nur den sowjetischen Einfluß auf Osteuropa erheblich gemindert, sondern die bisher unbestrittene Führungsrolle Moskaus empfindlich in Frage gestellt. Als Tito sich auch noch Stalins Ansinnen widersetzte, sein Verhalten der üblichen «Selbstkritik» zu unterziehen, beschloß das Kominform am 27. Juni 1948, seinen ständigen Sitz von Belgrad ins rumänische Bukarest zu verlegen. Dort wurde am folgenden Tag - nicht zufällig dem Jahrestag der serbischen Niederlage gegen die Osmanen im Jahr 1389 - der Ausschluß Jugoslawiens vereinbart. «Das Informationsbüro ist der Meinung», hieß es im Beschluß, daß «die [...] nationalistischen Elemente offen die Oberhand gewonnen haben, daß die Führung der Kommunistischen Partei Jugoslawiens mit den internationalen Traditionen der [...] Partei gebrochen und sich auf den Weg des Nationalismus begeben hat». 8 Die Folgen schienen zunächst dramatisch. Alle bestehenden Handelsverträge Jugoslawiens mit anderen Ostblockstaaten wurden gekündigt oder nicht mehr erfüllt. Parallel
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