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Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Titel: Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Stöver
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zum Ersten Parteisekretär wieder ihr Ende. Die politische Linie wurde seit 1957 wieder deutlich straffer und führte unter anderem in der Kulturpolitik zu stärkeren Reglementierungen. Bis 1958 waren auch die Arbeiterräte unter staatlicher Kontrolle. Für die polnischen Reformer in den achtziger Jahren wurde die gescheiterte Liberalisierung nach 1956 zum warnenden Beispiel, das sich nicht wiederholen sollte.
Die Doppelkrise in Ungarn und Suez 1956
    Ungarn blickte traditionell nach Polen. Auch hier entwickelte sich aus der schwelenden Unzufriedenheit ein blutiger Volksaufstand. In der Geschichte des Kalten Krieges kam ihm sogar eine besondere Bedeutung zu: Zum einen wurde er zur entscheidenden Nagelprobe für die westlichen Hilfeversprechen bei der Befreiung vom Kommunismus. Zum anderen entwickelte sich zur selben Zeit an einer ganz anderen Stelle, in Ägypten, ein gefährlicher Konflikt, so daß zwei zunächst begrenzte Spannungsherde am Ende des Jahres 1956 zu einer «Doppelkrise» zusammenwuchsen. In deren Verlauf war der große Krieg mit dem Einsatz von Atomwaffen tatsächlich nicht mehr weit entfernt.
    Auch in Ungarn waren die Kommunisten in der Bevölkerung verhaßt geblieben. Der Mitte Oktober 1956 vorgelegte Forderungskatalog zeigte, was man wollte: Ernennung des Reformers Imre Nagy zum Ministerpräsidenten, Überprüfung der Arbeits- und Ablieferungsnormen, ein Mehrparteiensystem, freie Wahlen, bürgerliche Freiheiten, die Wiederherstellung der nationalen Unabhängigkeit der Wirtschaft sowie die Wiedereinführung der ungarischen Nationalsymbole und -feiertage. 13 Die erst nach dem Ende des Kalten Krieges 1992 vom damaligen russischen Präsidenten Boris Jelzin freigegebenen Dokumente über die Entscheidungsfindung in Moskau zeigen, daß der ungarische Ministerpräsident Ernö Gero am Abend des 23. Oktober den sowjetischen Militärattache um Truppenunterstützung bat. Dies wurde aus formalen Gründen zunächst abgelehnt, dann aber von Chruschtschow in einer telefonischen Diskussion mit Gero zugesagt. Den Hintergrund für diese Entscheidung bildeten bereits die Probleme im Nahen Osten. Während es bis zum 29. Oktober zunächst so aussah, als würden die Sowjets eher bemüht sein, in Ungarn neben den militärischen auch die politischen Mittel auszuschöpfen, änderte sich diese Linie mit dem Beginn des Konflikts am Suezkanal vollkommen. Moskau hatte seit 1955 sein Engagement in Ägypten deutlich erhöht und Nasser nicht nur in seinen politischen Ambitionen, sondern auch wirtschaftlich-militärisch unterstützt. Nas-sers harte Haltung gegenüber Großbritannien und Frankreich, die sich unter anderem dagegen wehrten, daß der im 19. Jahrhundert gebaute, ökonomisch wie strategisch überaus wichtige Suezkanal in ägyptisches Staatseigentum übergegangen war, beruhte zu einem guten Teil auf der Rückendeckung aus Moskau. Aber nicht nur London und Paris, sondern auch die israelische Regierung wollte die Krise in Ungarn dazu nutzen, um die Interessen in der Region durchzusetzen. Als Truppen aller drei Mächte in Ägypten intervenierten, wurde in Ungarn auf Chruschtschows ausdrückliche Veranlassung die harte Hand gezeigt. Eine nicht zu unterschätzende Rolle spielte dabei eine sowjetische Version der «Dominotheorie». In Moskau befürchtete man 1956, wie auch 1968 im Fall der CS SR, bei einer zu nachgiebigen Haltung könnten andere Länder im sowjetischen Machbereich dem Beispiel folgen. In der DDR wurden während des Ungarischen Aufstands deshalb sogar NVA-Einheiten unter sowjetischer Aufsicht entwaffnet.
    Ab dem 4. November 1956 schlug die Rote Armee die Ungarische Revolution erbarmungslos nieder, nachdem Chruschtschow zuvor mit Ulbricht (DDR), Gomulka (Polen) und Novotny (CSR), danach auch mit Tito (Jugoslawien) ausführlich konferiert hatte. Die Kämpfe dauerten bis zum 11. November. Die ungarische Seite meldete nach der Niederschlagung 300 Tote und rund 1000 Verwundete. Die Sowjets sprachen von 669 Toten und 1540 Verletzten. 14 Doch auch in Ungarn war mit der Niederwerfung nicht das Ende des Widerstands erreicht. Im Anschluß an die Revolution kam es noch monatelang zu Streiks. Was der Westen mit dem Aufstand zu tun hatte, ließ sich auch hier nur nach und nach ermitteln. Offiziell war er untätig geblieben. Allerdings waren auch diesmal wieder einige der einschlägigen halboffiziellen Rundfunkstationen beteiligt gewesen, deren Sendungen offensichtlich den Eindruck vermittelten, als stehe westliche Hilfe

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