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Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Titel: Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Stöver
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unmittelbar bevor. Während des Aufstands hatten zudem mobile Stationen radikaler Befreiungsgruppen Durchhalteparolen gesendet. Als man nach der Niederschlagung der Revolution ungarische Flüchtlinge in Österreich befragte, gaben 96 Prozent an, überzeugt gewesen zu sein, der Westen werde Hilfe senden. Über zwei Drittel hatten angenommen, es komme sogar militärische Unterstützung. 15 Wie man später ermittelte, nahm tatsächlich eine von der CIA geführte Emigranteneinheit mit dem Codenamen «Red Sox/Red Caps» ohne Wissen des US-Präsidenten am Aufstand teil. Eine Untersuchung brachte zutage, daß nach dem Scheitern des Aufstandes in Ungarn

    der BLUTIGSTE aufstand: Ungarn 1956 Das Ende des Aufstands. Ein Bild mit Symbolcharakter.
    sogar weitere Pläne für den Einsatz dieser Einheit in Ostmitteleuropa ausgearbeitet worden waren. 16 Wie radilcalisiert die öffentliche Meinung am Ende des Jahres 1956 war, konnte man auch aus Umfragen erschließen, die deutlich machten, daß ein erheblicher Teil der Befürworter einer westlichen Intervention in Ungarn dafür sogar den Dritten Weltkrieg in Kauf genommen hätte. Am für die ungarische Reformbewegung desaströsen Ergebnis des Aufstands änderte dies natürlich nichts. Nach der Niederschlagung begann ein Massenexodus von etwa 200 000 Ungarn in den Westen.
    Am Suezkanal hingegen - außerhalb der beiden großen Blöcke - konnte die akute Kriegsgefahr bis zum 8. November 1956 von den USA und der UdSSR gemeinsam entschärft werden. 17 Nicht gelöst wurde allerdings der grundsätzliche Konflikt, der während des gesamten Kalten Krieges die Region weiterhin als Pulverfaß erhielt. Neben der 1956 bereits seit Jahren brisanten israelisch-arabi-schen Kontroverse, die schon 1948/49 zum ersten Krieg zwischen der Arabischen Liga und Israel geführt hatte, war der Suezkonflikt mit dem globalen Kalten Krieg durch das geostrategische Interesse der Supermächte in der Region verbunden. Es veranlaßte die Amerikaner, Briten und Franzosen dazu, dem ägyptischen Präsidenten Nasser Kapital für den Bau des Assuan-Staudamms zuzusagen. Dieses Geld war gestrichen worden, als Nasser den westlichen Vorstellungen nicht entgegenkam und sich 1955 weigerte, dem gegen den Ostblock gerichteten Bagdad-Pakt beizutreten. Statt dessen hatte er an der im gleichen Jahr stattfindenden Konferenz der Blockfreien im indonesischen Bandung teilgenommen. Nach dieser vom Westen bereits als politischer Affront gewerteten Entscheidung bezog Kairo noch im selben Jahr jene Waffenhilfe aus dem Ostblock, die die USA Nasser verweigerten, aber an Israel lieferten. Daß man von den Israelis tatsächlich militärisch bedroht war, bestätigte sich aus ägyptischer Perspektive, als die israelische Armee Ende 1955 angriff, um, wie die offizielle Begründung lautete, palästinensische Freischärler zu bekämpfen, die von hier aus Anschläge in Israel verübten. Aus westlicher Sicht hatte sich Kairos Abwendung vom Westen fortgesetzt, als im Juli 1956 der Suezkanal verstaatlicht worden war und Nasser sich strikt weigerte, die Kanalzone zu internationalisieren. Drei ergebnislose Konferenzen gingen der am 29. Oktober 1956 beginnenden eigentlichen Suezkrise voraus. Militärisch handelte es sich zunächst um einen erneuten israelischen Angriff auf den sogenannten Gazastreifen und die Halbinsel Sinai. Er wurde zwar wieder mit der Abwehr palästinensischen Terrors begründet, doch wollte er wohl auch die Gunst der Stunde zur Schwächung der Arabischen Liga nutzen, da Ungarn scheinbar alle Aufmerksamkeit der Supermächte auf sich zog. Das gleiche Kalkül lag der zwei Tage später folgenden britisch-französischen Intervention zugrunde. Neben der Hoffnung, die Verstaatlichung des Kanals rückgängig machen zu können, sah man in London und Paris auch die Chance, Nasser zu stürzen und damit ein kooperationswilligeres Ägypten zu schaffen. Die Franzosen nahmen zudem an, damit auch die arabische Unterstützung für die Aufständischen in Algerien unterbinden zu können. Um so überraschter war man, als sich in einem seltenen Schulterschluß weder die USA noch die UdSSR gewillt zeigten, die militärische Intervention zuzulassen, und Moskau sogar mit dem Einsatz von Atomwaffen drohte. Israel zog sich unmittelbar darauf auf die
    Positionen des Waffenstillstands von 1949 zurück, Frankreich und England brachen ihre Offensive ab. Die umkämpfte Kanalzone wurde von UN-Truppen besetzt.
    Eine Lösung war das nicht. Die Region wurde sogar noch

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