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Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Titel: Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Stöver
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nach den Aufständen in der Tschechoslowakei und der DDR stattfand, waren es unter anderem die politisch aktiven Vertriebenenverbände, aber auch einzelne Parteien, die auf die amerikanische Befreiungspolitik verwiesen. «Wiedervereinigung Deutschlands», hieß es bei einem der kleinen Partner der Adenau-erschen Regierungskoalition, der nationalkonservativen Deutschen Partei (DP), die zwischen 1949 und 1961 immer wieder auch Bundesminister stellte, «heißt Befreiung der Sowjetzone und der deutschen Siedlungsgebiete im Osten». 3 Dies löste selbst im amerikanischen Außenministerium Sorgen aus. Adenauer dagegen hielt sich öffentlich eher zurück, doch auch er wollte sich zum Abschluß der für die Christdemokraten äußerst erfolgreichen Bundestagswahl am 7. September 1953 - kurz nach dem Aufstand in der DDR - der mittlerweile üblichen Radikalrhetorik nicht entziehen. In einer in der Bundeshauptstadt Bonn vor 25 000 Menschen gehaltenen Rede, deren emotionale Wirkung durch das abschließende gemeinsame Singen der Nationalhymne noch unterstrichen wurde, sprach auch er ausdrücklich von der Notwendigkeit der «Befreiung der Ostgebiete». 4 Das Sendeprotokoll des Nordwestdeutschen Rundfunks ver-zeichnete zustimmende Rufe und Beifall. Auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtete später von «stürmischem Applaus» bei Adenauers Bemerkung zur «Befreiung unserer achtzehn Millionen Brüder und Schwestern in den Ostgebieten».
    Unbestreitbar ist, daß diese von scharfer Rhetorik geprägten Jahre des Kalten Krieges ganz allgemein und auf beiden Seiten von
    Befreiungshoffnungen, aber auch Invasionsängsten geprägt waren. Die sowjetischen und ostmitteleuropäischen Führungen wiesen regelmäßig darauf hin, daß der Westen sich auf den «Tag X» vorbereite. Auch Adenauer behauptete 1950 in seinem berühmten Memorandum an den US-Hochkommissar McCloy, die paramilitärischen Einheiten der KVP stünden in der DDR für einen Angriff auf die Bundesrepublik bereit. 5 Die Amerikaner wiederum waren sich zeitweilig ganz und gar nicht sicher, ob nicht angesichts der in Gesamtdeutschland verbreiteten Wiedervereinigungshoffnungen auch eine gewaltsame Zusammenführung der beiden deutschen Staaten - von welcher Seite auch immer - begrüßt werden würde. 6 Als allerdings die ostmitteleuropäischen Aufstände 1953 und 1956 begannen, war jedesmal klar, daß sie nicht von außen gelenkt waren. Unbestreitbar war jedoch auch, daß in ihrem Verlauf viele der westlichen Befreiungsorganisationen und Radiostationen alles taten, um sie größer und erfolgreich zu machen. Genauso offensichtlich war, daß die Hoffnungen der Aufständischen jedesmal auf den Westen gerichtet waren.
    Die Aufstände hatten jeweils eine ähnliche Vorgeschichte. Im Fall der Tschechoslowakei und der DDR war die Zeit unmittelbar vor den Unruhen durch verschärfte Sowjetisierung geprägt, obwohl die CSR politisch und wirtschaftlich ganz andere Voraussetzungen mitbrachte als Ostdeutschland. Der verstärkte Ausbau der Industrie und immense Rüstungsausgaben ließen das Haushaltsdefizit explodieren und katapultierten das Land in eine tiefe Wirtschaftskrise. Die Bevölkerung wiederum verlegte sich, wie immer in Krisenzeiten, auf das Sparen. Entsprechend hoch waren die Privatguthaben. Als Lösung wurde von der tschechoslowakischen Führung schon 1952 eine umfassende Währungsreform ins Auge gefaßt, die man im folgenden Jahr in Angriff nahm. Sie war ein staatlich sanktionierter Raub, bei dem die Guthaben durch eine neue Krone ersetzt wurden: bis zu 300 Kronen Bargeld im Verhältnis 5:1, darüber hinausgehende Beträge im Verhältnis 50:1. Gleichzeitig wurden alle langfristigen Anlagen abgewertet. Die Folgen waren absehbar, überraschten aber trotzdem. Die Proteste gegen die Währungsreform entluden sich in spontanen Streiks, schließlich aber auch in umfangreichen Demonstrationen mit politischen Forderungen an denen nicht zuletzt KP-Mitglieder und Angehörige der staatlichen Massenorganisationen teilnahmen.
    Hochrufe auf die ehemaligen Staatspräsidenten Masaryk und Benes hallten durch Pilsen, Sprechchöre forderten politische Freiheiten. Das Rathaus wurde ebenso wie einige andere Verwaltungsgebäude angezündet. Die Staatssicherheit nahm Hunderte von Personen fest, 650 allein in Pilsen, Dutzende aber auch in Prag, Ostrava, Strakonice und Vimperk. Noch nach der Niederschlagung zeigten die Massenaustritte aus der tschechoslowakischen KP (KSC) den Umfang der Unzufriedenheit.

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