Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters
Tote allerdings gab es beim Pilsener Aufstand nicht. Dies änderte sich zwei Wochen später beim Aufstand in der DDR.
Auch in der DDR hatte im Vorfeld des Aufstands ein Versuch der innenpolitischen Konsolidierung stattgefunden. Die DDR befand sich seit Jahren in einer akuten Versorgungskrise, wobei auch hier vor allem die Produktion von Konsumgütern weit hinter den tatsächlichen Bedürfnissen der Bevölkerung zurückgeblieben war. Vor allem im Verhältnis zur Bundesrepublik erschien den DDR-Bürgern, wie zahlreiche Berichte der SED und des MfS immer wieder deutlich machten, der eigene Lebensstandard eher als erbärmlich. Dies war neben dem politischen Druck die wesentliche Ursache für die massiv wachsende Fluchtbewegung in den Westen. Als Beschleunigungsfaktor der ohnehin vorhandenen Unzufriedenheit in der Bevölkerung hatte sich auch hier der verschärfte Sowjetisierungskurs ausgewirkt, der offiziell durch die Beschlüsse der 2. Parteikonferenz der SED am 12. Juli 1952 in Gang gesetzt worden war. Der «Aufbau des Sozialismus», den man hier zur «grundlegenden Aufgabe» erklärte, entpuppte sich schnell als rücksichtslose Forcierung der Energie- und Metallindustrie, insbesondere des Schwermaschinenbaus. 7 Verbunden damit war die Erhöhung der Arbeitsnormen, die man als «technisch notwendig» deklarierte. Schon im Mai 1953 hatten sogar die Sta-lin-Nachfolger in Moskau die übermäßige Härte der DDR-Führung um Ulbricht kritisiert und Veränderungen angemahnt. Die SED reagierte am 9. Juni 1953 mit einem Kommunique, in dem tatsächlich einzelne Fehler eingeräumt wurden. Zwar wurden in einem «Neuen Kurs» Korrekturen angekündigt, nirgends aber wurden der «Aufbau des Sozialismus» oder die besonders verhaßten Normerhöhungen zurückgenommen. Die Unzufriedenheit verband sich in der DDR zusätzlich mit nationalen und weiteren politischen Zielen. Schon unmittelbar nach der Veröffentlichung
DER ERSTE GROSSE AUFSTAND IM OSTBLOCK: DER 17. JUNI 1953 IN DER DDR Eine Schlagzeile der in Westberlin erscheinenden Berliner Morgenpost am 17. Juni. Das Neue Deutschland konterte am folgenden Tag mit der Schlagzeile: «Zusammenbruch des Abenteuers ausländischer Agenten in Berlin».
des Kommuniques am 11. Juni fanden in der DDR eine Reihe von «Befreiungsfeiern» statt, in denen «auf das Wohl von Adenauer» angestoßen wurde. 8 Insbesondere in jenen Gebieten, wo besonderer Druck etwa zum Eintritt in die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften ausgeübt worden war, hoffte man auf das Ende des «Experiments DDR».
In Berlin waren für Montag, den 15. Juni Streiks vorbereitet worden. Wie in der Tschechoslowakei führte das arbeitsfreie Wochenende, das Zeit für Diskussionen gab, zu einer Radikalisierung der Stimmung. Der eigentliche Aufstand begann dann auf den Baustellen der repräsentativen Stalinallee am 16.Juni. Am Tag zuvor war die von den Bauarbeitern an die DDR-Führung übergebene Resolution gegen die Arbeitsnormen erfolglos geblieben. Dem Zug quer durch die Innenstadt schlossen sich Tausende von Passanten an. Allein im Ostteil Berlins sollen 100 000, in Halle 60 000 und in Leipzig 40 000 Demonstranten auf der Straße gewesen sein. Gleichzeitig fanden in 560 weiteren Städten und Ortschaften kleinere Kundgebungen statt. 9 Schnell brannten auch hier von Partei und Staat genutzte Einrichtungen. Das von der staatlichen Handelsorganisation (HO) genutzte Columbus-Haus kurz hinter der Sektorengrenze am Potsdamer Platz stand als eines der ersten in Flammen. Akten und Uniformen flogen unter dem Jubel der Demonstranten aus den Fenstern. Inhaltlich erweiterten sich die Anliegen. Zu den zunächst überwiegend ökonomischen Forderungen kamen nun umfassende politische: Demokratie, Freiheit, Einheit Deutschlands. Am 17.Juni um 13.00 Uhr verhängten die Sowjets dann den Ausnahmezustand und setzten Panzer ein. Mindestens 51 Menschen kamen beim Aufstand ums Leben, viele von ihnen waren Jugendliche oder junge Erwachsene. Es folgten auch hier Prozesse gegen «Agenten und Rädelsführer».
Die Rolle des Westens während der beiden Aufstände des Jahres 1953 blieb zwiespältig, gerade weil die Vorgänge in der Tschechoslowakei und der DDR genau das Szenario boten, das die Strategen der Befreiungspolitik seit Jahren ausgemalt hatten und die Erwartungen an den Westen hoch waren. Die Aufständischen in der CSR und der DDR hofften auf Hilfe aus dem Westen und insbesondere auf die USA. Außer unterstützenden Worten kam jedoch
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