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Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Titel: Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Stöver
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auf der einen Seite Argwohn auf der anderen auslöst und in dem neue Waffen zu wieder neuen Abwehrwaffen führen. [...] Vor allem müssen die Atommächte, bei gleichzeitiger Wahrung ihrer eigenen Lebensinteressen, solche Konfrontationen vermeiden, die einem Gegner nur die Wahl zwischen einem demütigenden Rückzug oder einem Atomkrieg lassen. [...] Wir haben es nicht nötig, ausländische Rundfunksendungen zu stören, aus Furcht, unser Glaube könnte durch sie erschüttert werden. Wir wollen unser System keinem Volk gegen dessen Willen aufzwingen. Wir sind aber willens und in der Lage, mit jedem anderen System auf der Erde in einen friedlichen Wettstreit zu treten.» Ironischerweise war er in dieser Frage gar nicht weit von Chruschtschow und seiner These der «Friedlichen Koexistenz» entfernt. Der Wohlstand der Sowjetmenschen, hatte der sowjetische Parteichef vier Jahre vorher orakelt, werde «die westliche Welt viel zuverlässiger zerstören als Panzer». 37
    Nach US-Auffassung blieb für das geteilte Deutschland nur der Weg über Verhandlungen, um zu einer Annäherung und möglicherweise zu einer Wiedervereinigung zu kommen. Mit Recht ist betont worden, daß der Anstoß zur Entspannungspolitik, die unter der Ägide Willy Brandts dann Anfang der siebziger Jahre unter anderem zum Grundlagenvertrag zwischen beiden deutschen Staaten führte, von den USA in der Mauerkrise ausging. Mit der amerikanischen Entscheidung, den Status quo in Europa zu bewahren, ergab sich für die Deutschlandpolitik der Bundesrepublik in den ersten Jahren nach dem Mauerbau die verquere Lage, daß Westberlin unter Brandt schrittweise Verhandlungen mit Ostberlin aufnahm, dabei aber in einen offensichtlichen Gegensatz zur Bundespolitik in Bonn und ihrer zwar bröckelnden, aber immer noch gültigen Hallstein-Doktrin geriet. Adenauers Formel, nach der die Entspannung der Wiedervereinigung folgen solle, setzte der in Westberlin ab Februar 1963 amtierende sozialliberale Senat, der von den Amerikanern ausdrücklich unterstützt wurde, eine aktive Verständigungspolitik mit der DDR entgegen. Sie wurde vom Presseamtschef des Senats, Egon Bahr, in seinem berühmten Vortrag am 15. Juli 1963 in Tutzing - anderthalb Monate nach Kennedys Rede in Washington - in den Satz «Wandel durch Annäherung» gefaßt. 38 «Die amerikanische Strategie des Friedens», so Bahr, «läßt sich auch durch die Formel definieren, daß die kommunistische Herrschaft nicht beseitigt, sondern verändert werden soll». Die Änderung des Ost-West-Verhältnisses, die die USA versuchen wollten, diene dabei der Überwindung des Status quo, indem dieser zunächst nicht verändert werden solle. Auch Bahr hatte mit deutlichem Bezug auf die Praxis der Befreiungspolitik der fünfziger Jahre betont, daß eine Politik des Alles oder Nichts in Zukunft ausscheide. «Das Vertrauen darauf, daß unsere Welt die bessere ist, [...] die sich durchsetzen wird, macht den Versuch denkbar, sich selbst und die andere Seite zu öffnen und die bisherigen Befreiungsvorstellungen zurückzustellen.» Jede Politik zum direkten Sturz des Regimes drüben sei aussichtslos, und diese Einsicht bedeute, daß jede Änderung nur mit Zustimmung der dortigen Machthaber zu erreichen sei. Auch der Versuch, durch den Abbruch sämtlicher wirtschaftlicher Verbindungen oder durch die bewußte Verschärfung der Situation die Machthaber zum Zusammenbruch zu zwingen, habe sich schon in der Vergangenheit als der falsche Weg erwiesen, da Ulbricht aus Krisen immer gestärkt hervorgegangen sei. Ebenso wenig habe der Abbruch diplomatischer Beziehungen bewirkt. Der einzig erfolgversprechende Weg sei daher, wie es Kennedy vorgegeben habe, «daß soviel Handel mit den Ländern des Ostblocks entwickelt werden soll, wie es möglich ist, ohne unsere Sicherheit zu gefährden. [...] Das Ziel einer Politik kann natürlich nicht sein, die Zone zu erpressen, denn kein kommunistisches Regime [...] kann sich durch Wirtschaftsbeziehungen in seinem Charakter ändern lassen. Aber das haben schließlich auch nicht die Amerikaner verlangt, als sie Polen [1957] Kredite gaben, und das ist auch nicht der Sinn des amerikanischen Wunsches nach verstärktem Osthandel. [...] In der Sowjetunion ist der Konsumwunsch gewachsen und hat zu positiven Wirkungen beigetragen. Es ist nicht einzusehen, warum es in der Zone anders sein sollte. Die Sowjetunion ist angetreten mit dem Ziel, den Westen einzuholen und zu überholen, gerade auch auf dem Gebiet des

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