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Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Titel: Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Stöver
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wie die von Kennedy kurz vor dem Mauerbau am 25.Juli 1961 in einer Fernseh- und Rundfunkansprache definierten Three Essentials («Drei Grundsätze») deutlich machten: Freiheitsgarantie für die Bewohner Westberlins, westliche Truppenpräsenz in der Stadt und gesicherter Zugang. Faktisch lief die US-Position damit zwar auch nur auf die Bewahrung des Status quo hinaus. Diesen aber waren die USA gewillt, mit allen Mitteln zu verteidigen. In überparteilichen Gesprächen hatte man dies bereits im März 1959 vereinbart. Auch ein Atomkrieg wurde für die Wahrung dieser Rechte in Kauf genommen. Die USA seien bereit, so hatte Eisenhower betont, den «ganzen Einsatz aufs Spiel zu setzen», wenn die Situation es erfordere, auch wenn man wisse, «daß es sich bei einer bewaffneten Auseinandersetzung auf jeden Fall um einen totalen Krieg handeln würde». 26 Wenn solche Entscheidungen anstünden, «müßten wir den Mumm haben, es durchzuziehen».
    Es ist für die Einschätzung des Kalten Krieges von besonderer Bedeutung, daß Kennedy nicht nur seinen Willen bekräftigte, im Zweifelsfall Nuklearwaffen einzusetzen, sondern ausdrücklich den globalen Zusammenhang unterstrich. 27 In dieser «Willens- und Nervenprobe» - hatte er auf die Frage der US-Publikumszeitschrift Harper’s Magazine geantwortet, ob die USA es auch «riskieren würden, New York, Washington und ein halbes Dutzend anderer amerikanischer Städte über Nacht auslöschen zu lassen, bloß um die Stellung in Westdeutschland zu behaupten» - sei es notwendig, daß die Amerikaner ihre Entschlossenheit deutlich machten, um Berlin zu kämpfen. «Falls die Sowjets unsere dortige Stellung gefährdeten, könnte das meiner Meinung nach sehr wohl zu einem militärischen Konflikt führen. [...] Nähmen wir den gleichen Standpunkt ein wie einige Engländer, die 1938 meinten, Prag oder die Sudetendeutschen lohnten einen Krieg nicht - nähmen wir einen solchen Standpunkt im Falle Berlins ein, so würden meines Erachtens die Westberliner unter die kommunistische Herrschaft geraten, und ein verhängnisvoller Schlag träfe unsere Stellung in Westdeutschland [...]. Würde dies einmal neutralisiert, so wäre bald auch ganz Westeuropa neutralisiert, und das wäre ein entscheidender Sieg für die Sowjetunion. Es wäre ein großer Irrtum, wollten wir glauben, der eigentliche Kampf gehe lediglich um Berlin. Sie kämpfen um New York und Paris, wenn sie um Berlin kämpfen. Darum denke ich, wir müssen klarmachen - und nicht nur sagen, sondern es auch meinen -, daß wir entschlossen wären zu kämpfen.» Daß Planungen zu einem demonstrativen Einsatz der Atombombe in der Zweiten Berlinkrise existierten, hat im Rückblick auch der damalige westdeutsche Bundesminister für Verteidigung, Franz Josef Strauß, bestätigt. Er habe, teilte er später in seinen Erinnerungen mit, damals auf Ersuchen der Amerikaner sogar einen Truppenübungsplatz in der DDR genannt, über dem ein nuklearer Sprengsatz explodieren sollte, bevor zum Atomschlag gegen die UdSSR übergegangen werden würde. 28 Kennedy hatte seine Entschlossenheit Chruschtschow zuletzt bei einem Treffen in Wien Anfang Juni 1961 mitgeteilt, gleichzeitig aber auch durchblicken lassen, daß die USA sich nicht in Entscheidungen einmischen würden, die im sowjetischen Machtbereich stattfanden.
    Als in der Nacht vom 12. auf den 13. August 1961 die DDR-Füh-rung mit knapp 17 000 Mann aus NVA, Betriebskampfgruppen und Volkspolizei Westberlin abriegelte und die erste provisorische Mauer aus rasch herbeigeschafften Baumaterialien errichtete, waren alliierte Zugangsrechte tatsächlich nicht direkt betroffen. 29 Damit entfiel für die Westmächte jedes Motiv einzuschreiten. «So ernst die Sache auch ist», teilte Kennedy dem von der westlichen Reaktion enttäuschten Westberliner Regierenden Bürgermeister Willy Brandt am 18. August 1961 mit, «so stehen uns jedoch [...] keine Schritte zur Verfügung, die eine wesentliche materielle Änderung in der augenblicklichen Situation erzwingen könnten. (...) Weder Sie noch wir, noch irgendeiner unserer Verbündeten haben je angenommen, daß wir wegen dieses Streitpunktes einen Krieg beginnen sollten.» 30 Die Zweite Berlinkrise war mit dem Mauerbau zwar weitgehend entschärft. Trotzdem fanden nach dem 13. August weitere Zwischenfälle statt. Am 27. Oktober 1961 kam es zu jener dramatischen Konfrontation sowjetischer und amerikanischer Panzer an der Sektorengrenze. Am «Checkpoint Charlie», der mitten auf der

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