Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters
Sojus-81 und Sojus-83, Schild-84 oder Stabstraining-89, legen nahe, daß sich diese grundsätzlichen Überlegungen nicht änderten. 38 Für die am besten dokumentierte Übung Sojus-83, deren Unterlagen zufälligerweise nicht vernichtet wurden, läßt sich für den mitteleuropäischen Kriegsschauplatz ein Operationsplan rekonstruieren, der sich erstaunlich präzise mit den Szenarien der westlichen Planer deckte. Auch Sojus-83 ging davon aus, daß die französische Grenze nach zwei Wochen und die Grenze Spaniens nach einem Monat zu erreichen seien. Dafür war in diesem Frontabschnitt der Einsatz von 115 taktischen Raketen und 135 Atombomben vorgesehen. Daß diese Zahl auch viel höher liegen konnte, machten die Planungen der kurz vor dem Mauerfall 1989 veranstalteten Übung Stabstraining-89 deutlich. Hier waren allein für den Angriff auf den nördlichsten Teil der Bundesrepublik 76 nukleare Sprengsätze vorgesehen. Daß ein wesentlicher Grund für den vorgesehenen massiven Einsatz von Atomwaffen in einer kontinuierlichen und groben Überschätzung der gegnerischen Kräfte lag, wurde erst nach 1991 erkennbar. Doch nicht nur daraus erschließen sich die Bedeutung und die Probleme der Spionage im Kalten Krieg.
Der Krieg der Geheimdienste
Der verdeckte Krieg der Geheimdienste begann nicht erst 1947, wurde aber durch die gegenseitige «Kriegserklärung» in diesem Jahr heftiger. 39 Die Amerikaner standen dabei vor einem besonderen Problem, da sie 1945 ihren nur wenige Jahre zuvor entstandenen Geheimdienst OSS (Office of Strategie Studies) weitgehend aufgelöst hatten. Truman machte damals nicht zuletzt moralische Bedenken geltend. Die Gründung eines neuen Geheimdienstes, der CIA, der bezeichnenderweise im Schlüsseljahr des Kalten Krieges, 1947, aus der Taufe gehoben wurde, war daher auch der Versuch, diesen Fehler möglichst rasch wieder zu beheben. Manche im nachhinein unerklärliche Operationen, etwa die ab 1949 mit haarsträubenden Pannen und Fehlentscheidungen einhergehenden Versuche, in einigen Ostblockstaaten die kommunistischen Regierungen zu stürzen, hatten ihre Ursache wohl auch im übersteigerten Ehrgeiz der US-Geheimdienstler, die zum Teil noch aus dem OSS stammten. Das Wissen über den neuen Gegner, aber auch über das nun sowjetisch kontrollierte Ostmitteleuropa, blieb trotzdem zunächst spärlich. Jahrelang hatten die amerikanischen und ebenso die britischen Stellen vor allem über die Deutschen Informationen gesammelt, während die sowjetischen Verbündeten nur wenig beachtet worden waren. Als man nun zunächst auf deutsche Informationen zurückgriff, die vor allem Reinhard Gehlen 1945 lieferte, waren auch diese nicht immer zuverlässig. Sie förderten aber intensiv die westlichen Sorgen vor einem nicht zuletzt auch in der Geheimdienstarbeit übermächtigen Gegner im Osten.
Mit dem verdeckt durch die Amerikaner geförderten Sieg der Christdemokraten bei den italienischen Wahlen 1948 hatte die CIA ihre Feuertaufe bestanden. Der Wahlkampf 1947 und der anschließende Erfolg De Gasperis wurden zur eigentlichen Geburtsstunde des US-Geheimdienstes im Kalten Krieg. Die CIA, in deren wachsender Organisation auch spezielle Abteilungen zur Vorbereitung von Umsturz und Revolutionen, wie das «Office of Policy Coordination» (OPC), gehörten, war aber nicht der einzige Geheimdienst, den die USA im verdeckten Krieg mit den Sowjets aufboten. Auch die einzelnen Teilstreitkräfte unterhielten zum Teil bedeutende Aufklärungsabteilungen. Wichtig im geteilten Deutschland und speziell für Operationen in der SBZ/DDR in der Frühzeit des Kalten Krieges wurde das CIC (Counter Intelligence Corps), das 1961 in der Defence Intelligence Agency (DIA) des US-Verteidigungsministeri-ums aufging. Mindestens ebenso geheimnisumwittert war die 1952 neu geschaffene National Security Agency (NSA) als zentrale Behörde für das Abhören des Gegners und die Entschlüsselung von Informationen. Wie die konkurrierende CIA war die am Ende des Kalten Krieges auf die doppelte Größe angewachsene NSA global tätig und betrieb ihre Einrichtungen insbesondere auch in den Frontstaaten des Konflikts. Im Westteil Berlins wurde von der NSA auf dem sogenannten Teufelsberg der berühmte und durch seine Radarkuppeln weithin sichtbare Abhör- und Beobachtungsposten für Ostmitteleuropa unterhalten. Weitere spezielle US-Spionage-dienste entstanden mit der rasanten Entwicklung der Technik des Kalten Krieges, so die 1970 gegründete NRO, die für den Betrieb
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