Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters
schon Mitte der vierziger Jahre kopierten B-29, der in den fünfziger Jahren reproduzierten nuklearen Artillerie und der in den siebziger Jahren von der amerikanischen B-l abgekupferten Tupolev Tu-160 - in den achtziger Jahren auch das sowjetische Spaceshuttle mit dem Namen Buran. Es sah wie ein Doppelgänger der US-Vorbilder aus. Einige Geheimdienstexperten schätzten, daß bis zu zwei Drittel der sowjetischen Militärtechnik Kopien westlicher Vorbilder waren, deren Herstellung schlicht auf Spionage beruhte. Insbesondere Rüstungskonzerne, etwa MBB in der Bundesrepublik, gehörten zu den bevorzugten Objekten. Von MBB konnten zum Beispiel erfolgreich Unterlagen für das Kampfflugzeug Tornado entwendet werden. Wo die Grenzen und Nachteile der in den siebziger Jahren noch einmal deutlich verstärkten Wirtschaftsspionage lagen, zeigte sich in der Computertechnik. Früh war man im gesamten Ostblock dazu übergegangen, westliche Rechner zu kopieren. Ein bekanntes Beispiel waren die seit den siebziger Jahren in der UdSSR gebauten und im gesamten Ostblock eingesetzten RYAD-Systeme, die schlicht Kopien von illegal beschafften IBM-Rechnern der Serien 360 und 370 waren. Auch in der DDR wurden wesentliche Kapazitäten der Auslandsspionage des MfS (HVA) für die Beschaffung von westlicher Computertechnologie eingesetzt. Der Nachteil zeigte sich nur zu deutlich. Da man sich weitgehend auf die Beschaffung von außen verließ, scheiterte der Aufbau einer eigenen innovativen Chipproduktion. Bekanntermaßen war der Gorbatschow von Honecker 1988 überreichte Ein-Megabit-Chip lediglich eine Attrappe, während westliche Staaten bereits zur Massenproduktion übergegangen waren. 42
Neben der Industrie- gehörte die politische und militärische Spionage zu den weiteren Schwerpunkten östlicher Geheimdienste. Als besonders eindrucksvoller Erfolg wurde in den fünfziger Jahren die Unterwanderung der Zentrale der amerikanischen Military Intelligence Division (MID) in Würzburg gefeiert. Dort gelang es 1956, eine komplette Agentendatei zu entwenden und zahlreiche Verhaftungen in der DDR vorzunehmen. Die Operation des ostdeutschen MfS wurde wenig später auch zum Stoff für einen der erfolgreichen DDR-Spielfilme: For Eyes Only. Anfang der siebziger Jahre wurde als ein weiterer beispielhafter Erfolg politischer Spionage die Ausspähung des westdeutschen Bundeskanzlers Willy Brandt durch den MfS-Agenten Günter Guillaume gefeiert. Langfristig erwies sich allerdings auch diese Leistung eher als kontraproduktiv, da Brandt nicht zuletzt wegen dieser Affäre 1974 seinen Abschied nahm. Damit schied ausgerechnet jener westdeutsche Regierungschef aus dem Amt, von dessen «Neuer Ostpolitik» die DDR außenpolitisch erheblich profitiert hatte.
Politische und militärische Spionage blieb auch eines der zentralen Felder der westlichen Geheimdienstarbeit im Kalten Krieg. Wirtschaftsspionage dagegen war die Ausnahme und hatte vor allem militärische Anlagen im Visier. Man weiß, daß in den ersten Jahren des Kalten Krieges, als die Sowjetunion für die westliche Spionage mehr oder minder unbekanntes Gebiet war, zum Teil auf ganz unspektakuläre Weise gute Ergebnisse erzielt wurden. Die Befragung von deutschen Kriegsgefangenen etwa, die aus der UdSSR unter anderem in die Westzonen Deutschlands zurückgeschickt wurden, brachte schon Ende der vierziger Jahre nicht nur Informationen über die neu entstandenen Schlüsselbetriebe der sowjetischen Rüstungsindustrie, sondern auch über andere zentrale militärische Einrichtungen. Durch ihre Aussagen ließen sich westliche Stellen unter anderem über die aus der SBZ nach Podlipki und Chimki verlagerte sowjetische Raketenproduktion informieren, über Hunderte von Flugplätzen in der Sowjetunion, aber auch über den Aufbau der sowjetischen Kernforschung in den geheimen Städten der UdSSR. 43 Auf ähnlich unspektakuläre Weise beschafften antikommunistische Gruppen, etwa die westdeutsche KgU, die Ostbüros der bundesrepublikanischen Parteien oder Emigrantenorganisationen, Informationen über Militär- und Industriestandorte in der DDR. Ein spektakulärer und technisch weitaus aufwendigerer westlicher Versuch der Informationsbeschaffung war dann 1953 der Bau des berühmt-berüchtigten Spionagetunnels unter der Sektorengrenze in Berlin, die berühmte Operation Gold. Während des Aufstands vom 17. Juni 1953 konnten
eine der bühnen des spionagekriegs Ein Austausch auf der Glienicker Brücke zwischen Potsdam und
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