Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der kalte Traum - Bottini, O: Der kalte Traum

Der kalte Traum - Bottini, O: Der kalte Traum

Titel: Der kalte Traum - Bottini, O: Der kalte Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
Vom Netzwerk:
hatte sich eine Pizza mitgebracht, sich aber erst einmal unter die Dusche gestellt.
    »Fährst du hin?«, fragte Karolin.
    »Ich muss.«
    »Weck mich, wenn du heimkommst. Ich will alles hören.«
    Er nickte.
    Tausende verwirrte uralte Adameks im Aufzug.
    Nachdem er die Tiefgarage verlassen hatte, klingelte das Handy erneut.
    »Lorenz?«
    Der Onkel, mit veränderter Stimme, schwach und gepresst. Im Hintergrund Pieptöne wie bei der maschinellen Überwachung von Vitalfunktionen. »Richard? Alles in Ordnung?«
    »Nein. Du musst herkommen, es ist etwas passiert.«

52
    FREITAG, 15. OKTOBER 2010
    ZAGREB/KROATIEN
    In Ahrens’ Wohnung kam die Befangenheit.
    Sie saßen am Esstisch, tranken im Halbdunkel Bier. Sie hatten über Adamek, Ćavar, Marković geredet, die bevorstehende Reise nach Rottweil, wo sie von einer Kollegin Adameks in Empfang genommen würden, er selbst war wieder in Berlin. Über Bleiben oder Heimfahren hatten sie noch nicht gesprochen, das wurde, dachte Ahrens in einem Anflug von Vergnügtheit, hinausgezögert.
    Jetzt herrschte Schweigen.
    Ihre Blicke streiften sich. Sie lächelten.
    »Hm«, machte Vori. »Dann werde ich wohl …«
    »Du wolltest noch von Ruder Finn …«
    »Stimmt, Ruder Finn.«
    »… erzählen.«
    »Ja, Ruder Finn.« Er schwieg.
    Sie hatte die Haare für den Empfang im Innenministerium nach hinten gebunden, streifte das Haargummi nun ab, ließ sie ein bisschen fliegen. »Nicht, wenn du nicht willst.«
    »Doch, doch. Die Wirklichkeit, für die sich niemand interessiert.« Vori fuhr sich mit der Hand über den Mund, die Bartstoppeln knirschten. »Alle hatten sie PR -Agenturen Anfang der neunziger Jahre, Kroaten, Serben, Bosnier. Sie sollten vor allem die amerikanische Öffentlichkeit beeinflussen, du weißt schon, Imagewerbung, Lobbyismus, politische Propaganda. Ruder Finn war besonders engagiert, die haben zwischen 1991 und 1993 sowohl Kroatien als auch Bosnien und die Kosovo-Albaner vertreten. Kroatien ab August 1991, Bosnien ab Juni 1992 und die Albaner …« Er gähnte, zuckte die Achseln, grinste schief.
    »Noch ein Bier?«
    »Ja.«
    Ahrens holte zwei weitere Flaschen aus dem Kühlschrank. »Die letzten.«
    Sie tranken.
    »Du solltest nicht mehr fahren, du hast zu viel getrunken.«
    Vori winkte ab. »Bin’s gewöhnt.«
    »Nein, wirklich.«
    Er betrachtete das Sofa. »Sieht ganz bequem aus.«
    »Ist es. Hab auch eine zweite Decke.«
    »Sogar bequemer als mein Bett.«
    »Wo steht das eigentlich, dein Bett?«
    Er bewegte die Hand in Richtung Westen. »Eins in Stenjevec. Eins in Dubrava.« Er deutete nach Osten, dann nach Süden. »Eins in Novi Zagreb, aber nur für den Notfall, da laufen Ratten unten durch.«
    »Jetzt hast du auch eins in Donji grad .«
    »Das wäre natürlich praktisch.«
    Sie lächelte. »Ruder Finn.«
    »Nehmen wir Bosnien«, sagte er. »Ruder Finn kümmerte sich um alles. Amerikanische Medien, Kongress, Senat, Außenministerium, Botschaften, UN -Sicherheitsrat, humanitäre Organisationen. Sie haben für die Bosnier Pressekonferenzen und Interviews organisiert und Treffen mit hochrangigen Politikern, darunter Al Gore und Margaret Thatcher. Sie haben Artikel für wichtige amerikanische Zeitungen geschrieben, bosnische Regierungsmitglieder zu internationalen Balkan-Treffen wie dem KSZE -Gipfel begleitet, Briefe an Bush, Thatcher und andere diktiert, ein Infoschreiben nach dem anderen verbreitet … Steht alles in den Rechenschaftsberichten, die die Agenturen dem amerikanischen Justizministerium vorlegen müssen.«
    »Klingt nach aufregender Lektüre«, sagte Ahrens. »Ich hab sogar eine Zahnbürste für dich.«
    »Das Einzige, was mein Laptop noch nicht kann. Mir die Zähne putzen.«
    Sie lachten.
    Vori saß ihr gegenüber, zu weit entfernt, fand Ahrens. Zwischen ihren Köpfen die untere Hälfte der Hängelampe, zwischen ihren Händen Bierflaschen, allzu viele Barrieren.
    »Hast du sie heute gekauft? Die Zahnbürste?«
    »Nein, ich hatte sie schon, für … Gäste.«
    Vori hob die Brauen. »Hast du öfter … Gäste?«
    »Schon fertig mit Ruder Finn? War gerade so spannend.«
    Er schmunzelte flüchtig. »Ein Beispiel: Serbische Heckenschützen hätten für die Erschießung von Kindern Geld bekommen und deswegen Jagd auf sie gemacht.«
    »Hab davon gehört.«
    »Elftausend verletzte, vierhundert ermordete Kinder«, sagte Vori. »Ein Bericht der BBC . Die Nachricht kam, wie sich später herausstellte, vom Informationsministerium der Kroaten. Ruder Finn hat sie

Weitere Kostenlose Bücher