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Der kalte Traum - Bottini, O: Der kalte Traum

Der kalte Traum - Bottini, O: Der kalte Traum

Titel: Der kalte Traum - Bottini, O: Der kalte Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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Amt gearbeitet, seit 1989 als stellvertretender Referatsleiter mit der drolligen Amtsbezeichnung »Vortragender Legationsrat«. Nach etlichen weiteren Klicks fand Adamek seine Ahnung bestätigt: Unterabteilung 21, Referat 214, Osteuropa exklusive Sowjetunion.
    Jugoslawien.
    Und der Onkel schien Experte gewesen zu sein. Im Mai 1991 war im Zuge der Jugoslawienkrise ein eigenes Südosteuropa-Referat geschaffen worden. Die Leitung dieses Referates 215 hatte Richard Ehringer übernommen, nun »Vortragender Legationsrat Erster Klasse«.
    Adamek stand auf und ging ins Schlafzimmer. Während er sich umzog, dachte er, dass er so gut wie nichts über seinen Onkel wusste. Seit elf Jahren trafen sie sich, und er brauchte das Internet, um das Wesentliche zu erfahren.
    Aber er war zufrieden. Zusammenhänge deuteten sich an.
    Wenn der Onkel log, musste er es sich schon gefallen lassen, dass der Weg zu Thomas Ćavar auch über ihn selbst führte.
    Adameks Welt, Adameks Regeln.

8
    AUGUST 1990
    BAD GODESBERG/BONN
    Gelegentlich testeten sie, wie es klang.
    Frau Kanzlerin.
    Bundeskanzlerin Ehringer.
    Bundeskanzlerin Dr. Margaret Ehringer.
    Sie wussten, dass es nie so weit kommen würde. Margaret würde sich nicht glattschleifen lassen. Noch nannten die Medien sie »pointiert« und erfreuten sich an ihrer Offenheit und Direktheit, doch das würde sich ändern. Je weiter sie ins Zentrum der Aufmerksamkeit geriete, desto hässlicher würden die Bezeichnungen ausfallen.
    »Eigensinnig …«, flüsterte Richard Ehringer. Seine Lippen berührten ihr Ohrläppchen, seine Hände lagen auf ihrer Taille. Unter dem dünnen schwarzen Sommerkleid spürte er die Wärme ihres Körpers.
    »Mhm«, wisperte sie.
    »Beratungsresistent …«
    »Klingt das sexy .«
    »Eitel …«
    »Mehr …«
    An ihrem Hals hatte sich Gänsehaut gebildet.
    »Unfähig zur Teamarbeit …«
    »Lass uns vögeln, Vortragender Legationsrat …«
    Sie lachten.
    Schade war es schon, dachte Ehringer. Er schloss die Augen halb, zog Margaret an sich, ihr Rücken an seiner Brust. »Du wärst eine bemerkenswerte Kanzlerin.«
    »Wem sagst du das.«
    »Wenn du nur ein bisschen … diplomatischer wärst …«
    »Verdirb mir nicht die Laune.«
    Sie standen auf dem Balkon einer Bad Godesberger Villa, feierten einen Exministergeburtstag. Nicht mehr ganz nüchtern waren sie aus dem Gartentrubel geflohen. Unter ihnen das illustre Durcheinander, hin und wieder winkte jemand herauf, fast huldvoll winkten sie zurück. Jenseits der Godesburg hing eine leuchtende Sonne, der Turm ragte schwarz in den roten Himmel. Die Luft lau, ein friedvoller Abend in einer aufregenden Zeit.
    Sie kannten sich seit fünf Jahren, waren seit vier verheiratet. Beide hatten nach jeweils zwei gescheiterten Ehen nicht mehr damit gerechnet, dass sie mit vierzig noch auf einen solchen Partner stoßen würden.
    Einen Partner, der passte.
    Ich bin sehr kompliziert, hatte Margaret ihn gewarnt, als es ernster zu werden drohte.
    Ich bin eher einfach, hatte Ehringer erwidert.
    Ich will mich nicht für einen Mann ändern müssen.
    Ach, ändern für eine Frau, warum nicht?
    Ich bin nicht sehr diplomatisch.
    Ich bin im Auswärtigen Amt.
    Kinder waren kein Thema gewesen, die Karriere hatte Vorrang gehabt. Zwei Juristen, die in die Politik gegangen waren und sich im Dunstkreis der Macht einrichten wollten, dort, wo man hin und wieder das Gefühl haben konnte, etwas zu bewegen. Für die oberste Ebene würde es nicht reichen, das war ihnen bewusst. Richard war zu blass, zu wenig charismatisch, Margaret zu auffällig und zu kompromisslos.
    In aller Stille hatten sie 1986 geheiratet. Am Rande einer Pressekonferenz zur Iran-Contra-Affäre hatte Ehringer vertraute Journalisten informiert und den Titelscherz gleich mitgeliefert: Wiederauflage der sozialliberalen Koalition.
    Margaret drehte sich zu ihm, ihre Hand kroch in seinen Schritt. »War ernst gemeint. Nehmen wir das Bad im dritten Stock, da liegt ein Flokati drin.«
    »Sex so kurz nach der Unabhängigkeitserklärung Armeniens?«
    »Hin und wieder muss man gegen die Etikette verstoßen.«
    »Jerewan wird eine UN -Resolution erwirken.«
    »Und wenn wir dabei die armenische Hymne singen?«
    »Wie pietätlos, Margaret.«
    »Lieber die sowjetische?«
    Er schmunzelte. »Dritter Stock links oder rechts?«
    »Links. Scheiße, da kommt dein Freund.«
    »Der Kanzler?«
    »Der Kroate.«
    Ehringer wandte sich zur Balkontür um. Ivica Marković hatte den Treppenabsatz erreicht, ging nun

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