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Der kalte Traum - Bottini, O: Der kalte Traum

Der kalte Traum - Bottini, O: Der kalte Traum

Titel: Der kalte Traum - Bottini, O: Der kalte Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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»Denen, die’s nicht anders wissen.«
    Jordan schwieg.
    »Sie sind hier. Ich spüre sie.«
    »Wen, Igor?«
    »Die Verräter. Die Agenten der Serben.«
    Auch Igor war bosnischer Kroate und in Briševo aufgewachsen. Sie kannten sich seit ihrer Kindheit, wie man sich in einem Dorf eben kannte, wenn man nichts miteinander zu tun hatte. Saša Jordan und sein Bruder waren für die anderen »Deutsche« gewesen, weil ihre Vorfahren im 19. Jahrhundert aus der Pfalz in den Südosten gegangen waren. Manche mochten diese »Deutschen«, andere nicht, Igors Familie mochte sie nicht.
    Erst in Omarska lernten sie sich näher kennen.
    Die bosnisch-serbischen Einheiten aus Milizen, Soldaten der JVA und einheimischen Polizisten hatten seit Mai 1992 zahlreiche Muslime und Kroaten aus den zerbombten Orten um Prijedor ins Lager Omarska gebracht. Nordwestbosnien sollte gesäubert werden.
    Hunderte starben auf dem Weg und im Lager selbst. Jordan und Igor überlebten. Sie gehörten zu den Letzten, die Omarska im August 1992 verließen. Auf Druck der UNO wurde das Lager geschlossen.
    Jordan hatte gelesen, dass in Den Haag eine Handvoll Verantwortliche als Kriegsverbrecher verurteilt worden waren, wegen Mordes, Misshandlung, Folterung, Vergewaltigung in Omarska. Die Strafen waren hoch, zwischen fünf und fünfundzwanzig Jahren.
    Aber die Männer lebten. Saßen in sauberen Zellen, aßen dreimal am Tag, schliefen gut, dachten nicht in jeder Sekunde ihres Lebens an Omarska wie Igor. Träumten nicht von den Orten der Qual, dem »Roten Haus«, dem »Weißen Haus«, dem »Hangar«, der Piste, auf der sie in der Hitze des Sommers 1992 zu Tausenden gehockt hatten. Von den Schlägen, der Folter, den Schreien der Frauen. Dem Geruch nach verbranntem Fleisch, als zum orthodoxen Petrovdan-Fest Reifen in Brand gesetzt und Gefangene durch die Feuer getrieben worden waren.
    Jordan hätte diese Männer gern im Jahr darauf in Dretelj wiedergesehen. Er hätte ihnen das angetan, was sie und Ihresgleichen den Gefangenen von Omarska angetan hatten. Doch zu dieser Zeit waren sie noch auf freiem Fuß gewesen.
    Nachdem Omarska geschlossen worden war, kamen Jordan und Igor frei und schlugen sich in die kroatischen Gebiete Bosniens nahe der Küste durch. Dort traten sie den HOS bei, den von Zagreb unterstützten paramilitärischen »Kroatischen Verteidigungskräften«, die in Kroatien und Bosnien kämpften. Als die HOS 1993 ehemalige Armeebaracken zum Lager Dretelj umfunktionierten, gehörten sie zum Wachpersonal. Die überwiegend von Kroaten besiedelte Region entlang der Neretva sollte rein kroatisch werden, im Lager wurden die serbischen, später auch die muslimischen Einwohner gesammelt.
    Jordan und Igor bekamen ihre Rache für Omarska.
    Und eine neue Heimat. Im August 1993 wurde die autonome kroatische Republik Herceg-Bosna proklamiert. Präsident wurde Mate Boban, der Führer der bosnischen HDZ , die Hauptstadt Mostar. Irgendwann einmal, so der Plan, sollte Herceg-Bosna an Kroatien angeschlossen werden.
    Kurz darauf übergaben die HOS Dretelj an die Armee dieser neuen Republik, den »Kroatischen Verteidigungsrat« HVO , dem sie mittlerweile unterstellt waren. Jordan und Igor wechselten die Uniform und blieben ein paar weitere Wochen in Dretelj. Dann wurden sie ins nahe Livno abberufen. Kommandant des dortigen HVO -Hauptquartiers war Generalmajor Ante Gotovina.
    Unter Gotovina befreiten sie im August 1995 die Krajina.
    Wegen Gotovina waren sie jetzt in Rottweil.
    Wegen Zadolje.
    Manchmal, dachte Saša Jordan ein wenig erstaunt, deckten sich die eigenen Interessen mit denen des Gemeinwohls.
    Die Ankläger in Den Haag lasteten die sechs toten serbischen Zivilisten von Zadolje Ante Gotovina an, der als Oberkommandierender der Militäroperation »Sturm« Racheakte an der serbischen Krajina-Bevölkerung nicht verhindert habe. Falls Thomas Ćavar noch lebte, würde er vielleicht eines Tages aussagen, was in Zadolje geschehen war. Wer wusste schon, wozu das Gewissen einen Mann drängte, der seit fünfzehn Jahren untergetaucht war?
    »Holen wir uns den Verräter«, sagte Igor. »Wenn einer was über Thomas weiß, dann er.«
    Jordan nickte.
    Milo Ćavar, der von Anfang an gegen ein freies Kroatien geredet hatte. Der sich gegen die eigene Familie gestellt hatte, um sein bequemes Leben in Deutschland nicht zu gefährden. Ein Kroate, der aus Egoismus zum Deutschen geworden war und damit den Serben in die Hände gespielt hatte.
    Ein Vaterlandsverräter, hatte Ivica Marković

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