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Der kalte Traum - Bottini, O: Der kalte Traum

Der kalte Traum - Bottini, O: Der kalte Traum

Titel: Der kalte Traum - Bottini, O: Der kalte Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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sich vor, Adamek sprach mit leiser Stimme. Ein ehemaliger Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes, in eine schmutzige Geschichte verwickelt. Unbekannte aus Osteuropa, in Deutschland eingesickert, stellten Fragen nach einem Toten. Marion wollte wissen, was das bedeute, »schmutzig« – Sex, Kinderpornos? Er trank einen Schluck Wein, betrachtete das satte Dunkelrot, das sich in der Höhlung seiner Hand bewegte, auch der Wein war portugiesisch. »Krieg«, sagte er sanft und stellte das Glas ab.
    Ein Nachtisch war ihm nicht vergönnt.
    Die Reste waren gerade abgetragen, da klingelte das Telefon erneut. »Entschuldigt«, sagte er, stand auf, ging hinaus, erneut litten die Schuhe. »Richard?«
    »Du musst herkommen«, sagte der Onkel.

12
    MITTWOCH, 13. OKTOBER 2010
    ZAGREB/KROATIEN
    Der Wind weckte Yvonne Ahrens.
    Sie war vor der Website des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien eingenickt, hatte von New York geträumt, von einsamen Tagen und Nächten in Manhattan. In ihrem Traum hatte sie in einem steinernen Kubus inmitten des Central Park gewohnt. Wenn sie vor die Tür trat, waren die Grünflächen menschenleer, genauso bei der Heimkehr, wenn sie von der Fifth Avenue auf einen der Parkwege einbog. Keine Menschen, keine Tiere, nur das, was sie hinterließen – ausgespuckte Kaugummis, Zigarettenkippen, ein kaputter Ball, Exkremente. Als füllte sich der riesige Park nur in ihrer Abwesenheit mit Leben, das sich zurückzog, bevor sie wieder erschien.
    Da stieß der Wind das angelehnte Fenster auf, und sie öffnete erschrocken die Augen.
    Es hatte aufgehört zu regnen, in den Pfützen spiegelte sich das warme Gelb der Zagreber Straßenleuchten. In Sweatshirt, Jeans und Turnschuhen ging sie am Trg Tomislava entlang in Richtung Zentrum. Vor den schwarzen Wolken glommen auf den beiden Altstadt-Hügeln vereinzelte Lichter, Gradec mit dem Regierungsviertel, Kaptol mit der Kathedrale. Durch die Quermagistralen der Unterstadt brauste der Abendverkehr, die Straßenbahnen krochen kreischend in die Kurven. Keine Stadt, die sie kannte, erschien ihr so inbrünstig laut wie Zagreb.
    Sie genoss es. Der Lärm überlagerte die Stille.
    Sie hatte den weitläufigen Trg Bana Jelačića erreicht. Menschentrauben an den Straßenbahnhaltestellen, Passanten überquerten den Platz, Jugendliche posierten in Gruppen, an den Häusern Videoschirme und Neonwerbung.
    In der Pekarnica am Westende des Platzes herrschte Gedränge. Geduldig wartete sie, ließ den Blick über Bureks, Pizzastücke, Sandwiches, Gebäck gleiten.
    Ein freundlicher Gruß, man kannte sie.
    Sie zahlte, nahm den Käse-Burek entgegen, als neben ihr eine Männerstimme erklang, die sie schon einmal gehört hatte.
    Auch Ivica Marković bestellte burek sa sirom .
    » Gospodine Marković …«
    Das charmante Lächeln, die freundliche Stimme, auf Deutsch sagte Marković: »Burek in der Nacht … Wir scheinen ähnliche Laster zu haben, gospođo Ahrens.«
    »Höchstens dieses eine.«
    Er lachte.
    Zusammen gingen sie zur Tür. Erst jetzt bemerkte sie, dass Marković nicht allein war. Ein schlanker Mann hielt sich dicht an seiner Seite. Draußen, auf dem für Autos gesperrten Platz, parkte eine schwarze Limousine, vor der ein weiterer Leibwächter wartete. Beide um die vierzig, Bürstenschnitt, kantige Gesichter, Kriegsveteranen.
    Marković berührte ihren Arm. »Gehen wir ein paar Schritte zusammen, während wir unsere kleine Sünde genießen?«
    »Wenn Sie bereit sind, über den Kapetan zu sprechen.«
    Er nickte. »Das werden wir, gospođo Ahrens.«

13
    MITTWOCH, 13. OKTOBER 2010
    BERLIN
    Kondensator, Spule, Kabel. Die einfachste Version einer in Reihe zu schaltenden Telefonwanze.
    Seit drei Minuten starrte Lorenz Adamek auf den Sender und fragte sich, ob er verarscht wurde.
    »Verarschst du mich?«
    »Wie bitte?«
    Er zeigte auf das geöffnete Mobilteil mit der Wanze, das auf dem Schreibtisch lag. Richard Ehringer schüttelte den Kopf, der Mund ein Strich, die Brauen in Richtung Nasenwurzel gezogen, die Augen hart. Die stumme Empörung wirkte echt.
    Vorsichtig setzte Adamek das Telefon zusammen, steckte es auf die Station. Dann trat er hinter den Rollstuhl, packte die Griffe, schwang den Onkel herum und schob ihn zur Balkontür.
    »Es regnet«, sagte Ehringer schroff.
    »Ich weiß.«
    Auf dem Balkon fixierte Adamek die Bremsen. »Falls das Zimmer auch verwanzt ist.« Sein Blick glitt über die weißen Beinchen des Onkels, die der uralte, ausgewaschene Morgenmantel

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