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Der kalte Traum - Bottini, O: Der kalte Traum

Der kalte Traum - Bottini, O: Der kalte Traum

Titel: Der kalte Traum - Bottini, O: Der kalte Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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Krankenhaus.«
    Im Krankenhaus, in der Reha. Ein hartnäckiger Junge mit einer Mission …
    Da ist jemand für Sie. Ein junger Mann. Er sagt, Sie kennen ihn aus Rottweil.
    Ich will niemanden sehen.
    Er ist schon zum zweiten Mal hier.
    Er soll verschwinden.
    In Ehringers Augen standen Tränen.
    »Er mochte Sie.«
    »Er hat mir Ćevapčići von seiner Mutter mitgebracht. Ich hatte einmal bei ihnen gegessen, und die Ćevapčići …« Seine Stimme versagte.
    Margaret und er, Jelena und Thomas, dessen Bruder Milo, die Eltern. Er sah das Wohnzimmer mit den vielen Ziertellern vor sich, den Tisch mit den zahllosen Schüsseln und Platten, sämtliche kroatischen Speisen, die der Herrgott einst erfunden haben mochte, dazu Berge von Pommes frites, ein Ort maßloser Übertreibung, genauso die Dankbarkeit der Eltern, die keine Grenzen zu kennen schien.
    »Er hat Ihnen vertraut.«
    Ehringer fuhr sich mit dem Saum des Bademantels über die Augen. Vertraut?
    »Sie haben ihm geholfen. Bei der Sache mit den Waffen.«
    Das Gespräch hatte eine merkwürdige Wendung genommen. Worauf wollte Bachmeier hinaus?
    »Mein Freund, der Politiker, hat er manchmal gesagt.«
    Ehringer lachte höflich.
    »Ich hab gedacht, Sie wissen es bestimmt. Dass er tot ist.«
    Die falsche Lüge also. Ein sehr ferner Freund, der nicht erfahren hatte, dass Thomas nicht mehr lebte … Aber jetzt konnte er nicht mehr zurück. »Nein, leider nicht.«
    »Der Thomas hatte viele Freunde«, sagte Bachmeier.
    Ehringer wartete.
    »Vor ein paar Tagen war ein anderer hier. Ein Kroate, glaub ich. Ein Freund von ihm und Jelena. Ich dachte, ich kenne alle Freunde von ihnen, aber den kenne ich nicht. Na ja.«
    »Hat er gesagt, wie er heißt?«
    »Nein. Er hat fast nichts gesagt. Ich hab gedacht, schade, dass er nicht dabei war, damals in Bosnien. Er sah aus, als hätte er ihn beschützen können.«
    Ehringer brauchte einen Moment, um zu begreifen.
    Militär oder Geheimdienst.
    »Ich muss jetzt auflegen«, sagte Bachmeier.
    »Wissen Sie, was aus Jelena geworden ist?«
    »Sie ist mit ihren Eltern fortgegangen. 1995, kurz nach Dayton. Sie sind nach Serbien, soweit ich weiß. In die Vojva…«
    »Die Vojvodina?«
    »Ja. Also, dann … einen schönen Abend noch.«
    Ehringer ließ das Telefon sinken.
    Marković hatte sich also nicht mit seiner, Ehringers, Auskunft begnügt. Er hatte einen Mann nach Rottweil geschickt.
    Hatte Bachmeier ihm mitzuteilen versucht, dass er sich bedroht fühlte? Doch weshalb hatte er es dann nicht gesagt?
    Ehringer dachte an den Anruf aus Zagreb vergangene Woche.
    Ein paar Minuten lang freundliches Geplänkel – schließlich hatte man jahrelang nichts voneinander gehört –, dann war Ivica Marković auf Thomas zu sprechen gekommen. Kürzlich musste ich an den Jungen aus Rottweil denken, Thomas Ćavar … Erinnern Sie sich an ihn?
    Natürlich.
    Was ist aus ihm geworden?
    Ein Hobbysoldat für Ihre Sache, Marković. Das hat ihn das Leben gekostet, fünfundneunzig in Bosnien.
    Marković hatte weitere Fragen gestellt.
    Kennt man die Umstände seines Todes? Man könnte ihm posthum einen Orden verleihen. Ein Held des Vaterländischen Krieges! Keine Beerdigung? Kein Grab? Vielleicht ist die Leiche später gefunden worden?
    Dann hätte mich die Familie informiert.
    Wer weiß? Manchmal vergisst man die Wichtigsten, Herr Dr. Ehringer.
    Auch dies ein merkwürdiges Gespräch. Auch da hatte Ehringer den Eindruck gehabt, dass mehr dahintersteckte, als man ihm sagte.
    Nur was?
    Er hatte den Rollstuhl quer durch das Wohnzimmer getrieben, die Balkontür geöffnet, hockte nun draußen in der kühlen, feuchten Luft und starrte auf die schwarzen Wolken. Die Planer des luxuriösen Heimes hatten die Wohnungen rollstuhlgerecht gestaltet, nur auf den riesigen Balkonen grotesk versagt. Sie hatten kein Geländer eingezogen, sondern eine gut einen Meter hohe Betonbrüstung. Ehringer, der im vierten Stock wohnte, sah nur Himmel.
    Tagein, tagaus nur Himmel.
    Als gäbe es nur die dinglose, unerklärliche Unendlichkeit und hin und wieder ein paar Vögel.
    Er fühlte sich ausgesetzt auf seinem Balkon. Allein.
    Immerhin ein guter Ort, um nachzudenken.
    Ivica Marković hatte die Stürme, in die die HDZ nach Tuđmans Tod 1999 geraten war, weitgehend unbeschadet überstanden, im Gegensatz zu anderen Getreuen. Die Wahl 2000 war verloren gegangen, der Kurs der Partei korrigiert worden, sie hatte sich ein demokratischeres, EU -tauglicheres Gepräge gegeben. Sie hatte belastete Mitglieder

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