Der kalte Traum - Bottini, O: Der kalte Traum
Vater ist«, sagte Adamek.
»Sogar das BKA weiß, wo er ist – wenn ich recht informiert bin, in Zagreb. Kroatien liefert eigene Staatsbürger nur an das Tribunal in Den Haag aus, nicht an andere Staaten, nicht einmal an den großen Freund Deutschland.«
Adamek war mit dem zweiten Arm fertig, begann mit dem linken Bein. Beide Knie waren kreuz und quer zerschnitten, hatten die Scheibe mit der größten Wucht durchschlagen, bevor der Rest des Körpers gefolgt war.
Fassungslos schüttelte er den Kopf. Ehringer dagegen blickte beinahe erfreut auf seine Knie.
Verdammter Idiot.
»Das ist zu fest, Lorenz.«
»Du spürst da was?«
»Das sehe ich.«
Adamek lockerte seufzend. »Und der Sender?«
»Was für ein Sender?«
»Die Wanze.«
»Ach so. Marković.«
Adamek nickte. »Die Kerle in Rottweil auch?«
»Ich denke schon.«
»Aber warum? Warum interessiert sich Marković für einen Toten?«
»Kannst du dir das nicht denken?«
Adamek sah auf. »Weil Ćavar damals nicht gefallen ist, sondern ermordet wurde?«
Ehringer musterte ihn erstaunt, und im selben Moment begriff Adamek, dass es eine zweite Möglichkeit gab.
Keine Leiche, kein Grab.
War Thomas Ćavar noch am Leben?
14
MITTWOCH, 13. OKTOBER 2010
ZAGREB/KROATIEN
Schweigend waren sie vom Platz des Ban Jelačić durch die schmale, kopfsteingepflasterte Radićeva in die Oberstadt hinaufgegangen. An der Abzweigung zum Steinernen Tor blieben sie stehen, im Gleichklang das letzte Stückchen Burek kauend. Seltsame, viel zu intime Momente, dachte Yvonne Ahrens. Wortlos durch die milde Nacht gehen, gemeinsam essen. Nur die Leibwächter störten das Bild. Der Mann aus der Bäckerei drei, vier Meter hinter ihnen, die schwarze Limousine etwa zwanzig Meter entfernt.
Dunkelheit lag über der Stadt, durchbrochen vom sattgelben Schein der Straßenleuchten, der die hübschen, alten Häuser wie Theaterkulissen wirken ließ. Kulissen ohne Publikum – andere Menschen waren nicht zu sehen.
»Darf ich?«, sagte Marković.
Sie reichte ihm die Papierserviette, folgte ihm mit dem Blick, während er auf einen Mülleimer zuging.
In den ersten Minuten nach ihrer Begegnung in der Bäckerei hatte sie sich keine Gedanken darüber gemacht, ob er zufällig oder absichtlich dort gewesen war. Dann waren ihr die warnenden Worte von Irena Lakič eingefallen, und sie hatte gedacht, dass dieser Mann ganz sicher nichts dem Zufall überließe.
Die Begegnung war geplant gewesen.
Immerhin, sie war nicht ganz unvorbereitet. Nach dem Gespräch mit Irena hatte sie im Internet recherchiert und alles über Marković zusammengetragen, was offiziell zugänglich war. Sie kannte ihren Gegner also ein wenig.
Lächelnd kam er zurück.
Zugegeben, ein attraktiver Gegner. Vital, charmant, ein Sechzigjähriger, der wie ein früh ergrauter Mittvierziger wirkte. Der hellbraune Anzug und der Mantel maßgeschneidert, dazu farblich passend Krawatte und Schal, die Budapester elegant und wunderschön. Ein Mann, den man sich gut als zärtlichen Vater oder Ehemann vorstellen konnte. Dem man eines Tages vielleicht von einem Wintermorgen vor zwölf Jahren erzählen konnte, an dem ein Kind tot in seinem Bettchen gelegen hatte und eine Ehe an der Unerklärbarkeit zerbrochen war.
Da lag die Gefahr. Man wollte ihm vertrauen.
»Wie kommt es, dass meine Anfrage bei Ihnen gelandet ist?«
»Nun, ich spreche Deutsch.«
Natürlich wusste sie, dass dies nicht der wahre Grund war. Marković arbeitete im Verteidigungsministerium in der Abteilung Afghanistan, war für die Kommunikation der kroatischen Regierung mit der ISAF und der NATO zuständig – in Kundus waren knapp dreihundert kroatische Soldaten stationiert. Ihre Anfrage bezüglich des Kapetan war auf seinem Schreibtisch gelandet, obwohl der offizielle Weg zu ihm verschlungener kaum hätte sein können. Befasste er sich inoffiziell mit kroatischen Kriegsverbrechen?
Marković wies auf das Steinerne Tor schräg über ihnen, Kamenita vrata, einziger Rest der historischen Ummauerung Zagrebs aus dem 13. Jahrhundert. »Wollen wir?«
Sie bogen in den schmaleren Zugang ab. Hinter ihnen entfernte sich die Limousine, das Tor war für Autos nicht passierbar.
Ahrens drehte den Kopf, begegnete dem Blick des Leibwächters. Keine Passanten, nur sie drei.
Marković berührte ihren Arm. »Wenn Zvonimir Ihnen Angst macht, schicke ich ihn weg.«
»Das heißt, Sie fürchten sich nicht mehr vor mir?«
Er lachte heiter.
Aber er hatte recht, Zvonimir machte ihr Angst. Nur
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