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Der kalte Traum - Bottini, O: Der kalte Traum

Der kalte Traum - Bottini, O: Der kalte Traum

Titel: Der kalte Traum - Bottini, O: Der kalte Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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sechs Uhr an diesem Morgen waren die verfügbaren Daten zu Thomas Ćavar aus Deutschland eingetroffen, eine halbe Stunde später hatte sie in Rottweil angerufen, einen schlecht gelaunten alten Mann erwischt, der sich nicht auf ein Gespräch hatte einlassen wollen.
    Er ist tot, 1995 in Bosnien von den Serben ermordet.
    Mein Beileid. Sind Sie sein Vater?
    Ja.
    Könnten Sie …
    Er konnte nicht. Er hatte aufgelegt.
    Neue Entwicklungen! Frühstück?, hatte sie Vori gemailt. Er hatte sofort geantwortet und den Markt vorgeschlagen.
    »Kein Geld«, sagte er.
    »Wir nehmen deinen Panda.«
    »Der würde spätestens in Österreich zusammenbrechen.«
    »Komm schon, selbst du brauchst mal Urlaub.«
    »Ich bin seit Jahren im Urlaub, ich brauche Arbeit .«
    »Okay, ich engagiere dich als Dolmetscher.«
    »Du sprichst Kroatisch.«
    »Dann als Bodyguard.«
    Vori grinste. »Kevin Costner, yeah.«
    Sie hob eine Augenbraue. »Also?«
    Fürs Kämpfen, sagte Vori, komme er leider nicht in Betracht, deswegen die Pistole, beim Schießen störe der Rettungsring nicht. Er klopfte sich auf den Bauch. Da war ein bisschen was, ja, dachte sie lächelnd, zu viel Bier und Junk Food, ein gesundes Leben führte man eben nicht als Geist.
    »Lass uns eine große Geschichte daraus machen«, sagte sie spontan. »Zusammen. Der Prozess, Ćavar und Zadolje sind die Aufhänger. Wir schreiben eine Chronik kroatischer Kriegsverbrechen. Gospić, ›Medak‹, ›Sturm‹ und so weiter. Dretelj, die anderen Lager in der Herzegowina, die Verbrechen des HVO , die Vergewaltigungen, die Morde, die ethnischen Säuberungen. Die Rolle der Politik, der kroatischen Emigranten, Tuđman, Gojko Šušak, die anderen Nationalisten damals. Der Mord an Josip Reihl-Kir, natürlich der an Milan Levar. All das, was du seit Jahren recherchierst, worüber du in deinen Blogs schreibst. Wir holen uns die Protokolle von Den Haag aus dem Netz, es ist doch alles da …« Sie lehnte sich vor, klopfte mit der Hand auf den Tisch. »Wenn die kroatischen Zeitungen dich nicht drucken wollen, schreibst du eben für eine deutsche.«
    »Und die interessiert sich dafür?«
    »Der deutsche Mörder ist unser trojanisches Pferd.«
    »Falls er ein Mörder ist.«
    Sie seufzte. »Der mutmaßliche Mörder. Bist du dabei?«
    Vori nickte langsam. Ein Lächeln stahl sich auf seine Lippen.
    »Unser Flug geht morgen um zehn nach drei.«
    »Für mich bitte einen Gangplatz. Ich habe Angst vor dem Fliegen.«
    »Vor dem Schwimmen, vor dem Fliegen …«
    »Vor Ivica Marković.«
    »Nicht so ernst, Goran. Die Sonne scheint, du hast Arbeit, wirst mit einer schönen Frau eine Reise machen.«
    Er hob die Brauen. »Du unterschätzt ihn.«
    Ja, dachte sie, vielleicht, zumindest an diesem Vormittag, in ihrer Euphorie. Ivica Marković, der Mann, dem man vertrauen wollte.
    Doch dafür hatte man ja jetzt Goran Vori.
    Sie waren beim Brainstorming für die Geschichte, als Ahrens’ Mobiltelefon klingelte. Eine Nummer aus Deutschland, ein Kommissar der Kripo Berlin, Lorenz Adamek, zurzeit Rottweil.
    Sie schwieg überrascht. Rottweil war Thomas Ćavar.
    »Sie haben heute Morgen bei Petar Ćavar angerufen«, sagte Adamek.
    »Woher wissen Sie das?«
    »Aus dem Telefonspeicher.«
    »Und?«
    »Ich bearbeite den Fall Ćavar. Thomas Ćavar.«
    Vori formte mit den Lippen das Wort tko? , wer?
    »Kripo Deutschland«, erwiderte sie.
    »Ja«, sagte Adamek.
    »Ich will ein Fax Ihrer Dienststelle mit Ihrem Namen. Wenn ich das vorliegen habe, bin ich bereit, mit Ihnen zu reden.«
    »Wie bitte?«
    »Aber nicht über dieses Telefon.«
    Für einen Moment hörte sie nur das Rauschen in der Leitung. Dann fragte Adamek: »Werden Sie abgehört?«
    »Ich vermute es.«
    »Haben Sie meine Nummer auf dem Display?«
    »Ja.«
    »Rufen Sie mich von einem sicheren Telefon aus an.«
    »Erst will ich das …«
    »Ja, ja, simsen Sie mir eine Nummer, dann bekommen Sie Ihr Fax.«
    Die Verbindung war unterbrochen.
    Vori schüttelte den Kopf. »Keine Polizei.«
    Sie war anderer Ansicht. Ein Berliner Kripomann in Rottweil, es gab einen Fall Ćavar, fünfzehn Jahre nach dessen Tod …
    Sie mussten mit Adamek sprechen.
    Das alte Spiel: Wer ging in Vorleistung? Adamek wollte wissen, weshalb und seit wann sie an der Geschichte dran war. Ahrens wollte wissen, weshalb es einen Fall Thomas Ćavar gab.
    Sie war hartnäckiger, Adamek vernünftiger.
    »Also gut«, sagte er nach ein paar Minuten.
    Das Fax hatte bereits im Ausgabefach gelegen, als Ahrens und Vori die

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