Der kalte Traum - Bottini, O: Der kalte Traum
Jordan.
»Gut! Rauchen wir eine drauf.«
»Tust du uns noch einen Gefallen? Wir brauchen ein anderes Auto.«
»Ich habe keins mehr.«
»Wir geben dir Geld, und du kaufst eines.«
»Und die Papiere? Die Nummernschilder?«
»Das lass unsere Sorge sein.«
»Ich gehe los und kaufe irgendein Auto?«
»Ja. Irgendein unauffälliges, gebrauchtes Auto, das fährt.«
»Ich werde mir einen Spaß erlauben und ein paar probefahren.«
»Tu das, Stjepan.«
»Wenn die einen Fünfundachtzigjährigen ans Steuer lassen … Wie viel Geld habt ihr denn?«
»Sechstausend Euro.«
»Verflucht! Dafür bekommt man schon was.« Stjepan kicherte aufgeregt. Fragte, wo sie dann hin wollten, mit dem gebrauchten Auto. Zu den Fähren nach Skandinavien? Oder nach Berlin und weiter nach Osten?
»Mal sehen«, sagte Jordan.
»In Berlin ist Mate Sjelo, der wird euch sicher helfen.«
»Mate Sjelo?«
»Du kennst ihn. Einer von Ivicas Mördern.«
Das Wort hing sekundenlang in der Luft. Dann setzte die Waschmaschine zum Schleudern an und schluckte es.
Stjepan sagte: »Jetzt ist es sieben, vor neun machen die Händler nicht auf. Ruht euch aus, dann gebt mir das Geld, und ich kaufe euch ein schönes, gebrauchtes Auto.«
Er verließ den Kellerraum, sie schienen ihn nicht aufzuhalten. Die Tür fiel ins Schloss, die mühevollen Schritte auf der Treppe. Da spürte Thomas eine Bewegung im Rücken, eine Hand legte sich über seinen Mund, die andere schlang den Knebel um seinen Kopf.
»Hol ihn, Saša, schnell!«, sagte Igor heiser an seinem Ohr.
Im Lärm der Waschmaschine war nichts zu hören, doch Jordan schien nach oben gelaufen zu sein.
Zwei, drei Minuten verstrichen, ohne dass ein Wort fiel.
»Du hast Glück«, sagte Igor beinahe freundlich und ließ von ihm ab.
Thomas sank zu Boden. Glück, dachte er.
Falls Stjepan sie verraten hatte, brauchten sie eine Geisel. Stjepan würde sterben, er würde leben.
Die Trommel der Waschmaschine verlangsamte, blieb stehen. Wasser wurde abgepumpt, der Motor sprang an, schien Schwung zu holen für den abschließenden Schleudergang.
Schritte auf der Treppe, die Tür flog auf.
»Verflucht, von einer Geisel war nicht die Rede!«, rief Stjepan zornig.
»Wir müssen weg«, sagte Jordan, »er hat vor zehn Minuten den Notruf gewählt.«
»Der Krieg ist vorbei, Saša, begreif das doch endlich!«
Thomas hörte Stjepan stürzen, ein verärgerter Schrei folgte. Er versuchte zu sprechen, doch der Knebel ließ nur unverständliche Laute zu. Als er sich aufrappelte, warf Igor ihn mit einer einzigen Bewegung wieder zu Boden.
»Ihr seid Mörder!«, rief Stjepan, während sich die Trommel zu drehen begann, »ihr seid eine Schande für unser Land, hörst du, Saša Jordan, für euren Krieg gibt es keine Rechtfertigung, ihr seid genauso Verbrecher, wie Karadžić und Mladić und Milošević Verbrecher sind!«
Stjepan sprach weiter, seine Worte gingen im Krach der Waschmaschine unter.
Dann war nur noch die rotierende Trommel zu hören.
Thomas wurde hochgezogen, nach vorn gestoßen, er stolperte über ein Bein, das leblos nachgab. Hände zerrten ihn weiter.
42
FREITAG, 15. OKTOBER 2010
ZAGREB/KROATIEN
»Schade«, sagte Goran Vori.
Ja, dachte Ahrens, es wäre zu schön gewesen.
Der Kapetan in seinem Rottweiler Garten Laub rechend, am Samstag fuhr er mit seiner Frau nach Stuttgart ins Theater, am Montag dann hielt er die Tageszeitung in der Hand, blickte auf ein fünfzehn Jahre altes Foto von sich selbst, darüber die Schlagzeile: »Kriegsverbrecher in Kroatien: Der deutsche Mörder«.
Doch Thomas Ćavar lebte nicht mehr.
Trotzdem hatte die Geschichte Pepp. Die Vertuschung durch Marković und die kroatische Armee, der Brandanschlag auf Slavkos Auto, mehr oder weniger unverhohlene Drohungen.
Der Prozess in Den Haag.
Mach, mach, mach, hatte Henning Nohr geschrieben.
»Mit wem hast du gesprochen?«, fragte Vori.
»Mit seinem Vater.«
»Du solltest hinfahren.«
Sie hatte auch schon daran gedacht. Den Vater konfrontieren, mit früheren Freunden von Thomas Ćavar sprechen. Eine kleine Geschichte schreiben über den Mörder aus Rottweil und den jugoslawischen Krieg. In der Croatia-Airlines-Maschine um 15.10 Uhr am morgigen Samstag waren noch Plätze frei. Umsteigen in Wien, Ankunft in Stuttgart 18.40 Uhr, dann weiter mit dem Regionalzug.
»Kommst du mit?«
Sie saßen in der Vormittagssonne auf einem kleinen Altstadtplateau, tranken Kaffee, unter ihnen flirrte zwischen roten Sonnenschirmen der Markt. Gegen
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