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Der kalte Traum - Bottini, O: Der kalte Traum

Der kalte Traum - Bottini, O: Der kalte Traum

Titel: Der kalte Traum - Bottini, O: Der kalte Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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gebeten zu helfen«, sagte Adamek.
    »Margaret«, sagte Schneider.
    Er nickte. »Ich kannte sie nicht, mein Onkel und ich haben uns fünfundzwanzig Jahre nicht gesehen. Sie lebt nicht mehr.«
    »Autounfall, ich weiß.«
    Er stieß ein Schnauben aus. »Gibt’s was, was du nicht weißt?«
    »Viel.«
    Sie waren auf dem Weg zu Petar Ćavar, zu Fuß, die Glükhergasse lag nicht weit von der Staatsanwaltschaft entfernt. Sie gingen langsam, Adameks Becken war gereizt.
    »Margaret war depressiv, und er dachte, wenn sie den Jungen gemeinsam retten …«
    »Verstehe.«
    »Hat wohl nicht geklappt.«
    »Ich habe gelesen, dass sie eine Art Polit-Traumpaar waren«, sagte Schneider. »Er im Hintergrund, sie an der Front. Dass man sie sich kurzzeitig sogar als Kanzlerkandidatin vorstellen konnte. Dann kam der Jugoslawienkrieg, da hat sie sich viele Feinde gemacht. Und dann …«
    Adamek nickte.
    Der Fangschuss. Ein Nacktfoto von 1969. Ein Interview mit einem Exmann. Plötzlich war es nur noch um Sex gegangen.
    »Tragisch«, sagte Schneider.
    Sie verließen die verkehrsreiche Königstraße, gingen oberhalb des Stadtgrabens entlang. Das Licht des Vormittags war mild und zitronengelb, doch was nützte all die Lieblichkeit, wenn unter Holzplanken ein entstellter Toter lag.
    Hassforther rief an, und sie blieben stehen, und Adamek sagte zu Schneider: »Hamburg.«
    »Inzwischen Ratzeburg«, sagte Hassforther. »Wir sind dicht dran.«
    Um Viertel vor sieben war ein Anruf eingegangen. Ein Kroate aus Ratzeburg, zwanzig Kilometer südlich von Lübeck, bei dem die Entführer mit ihrer Geisel Unterschlupf gesucht hatten. Er hatte Namen genannt, Sascha Jordan der eine, Igor der andere, Abgesandte eines ehemaligen kroatischen Geheimdienstmannes, Ivica Marković. Die Geisel wurde mit »Kapetan« angesprochen, sie kannten sich aus dem Krieg, aber das »Kapetan« kam vom Fußball.
    Jordan und Ćavar hatten also im Krieg miteinander Fußball gespielt, dachte Adamek. Falls das zutraf, waren sie in derselben Einheit gewesen. Vielleicht zusammen in Zadolje.
    Er verdrehte den Arm, um auf die Uhr sehen zu können – halb zehn. »Was ist schiefgegegangen?«
    Hassforther seufzte. »Es hat eineinhalb Stunden gedauert, bis die Meldung bei mir war. Ich bin erst seit fünfzehn Minuten in Ratzeburg.«
    Adamek stöhnte auf.
    »Tut mir leid, Kollege«, sagte Hassforther.
    Er stand vor dem Haus des Informanten. Ein alter Mann, verwitwet, die Kinder in Kanada. Die Entführer hatten ihn erschossen, vermutlich kurz nachdem er telefoniert hatte. Er war, schätzte die Gerichtsmedizinerin anhand der Totenflecke, seit mindestens zwei, höchstens drei Stunden tot.
    »Fliegst du rauf?«, fragte Schneider, als das Gespräch beendet war.
    »Ja. Kommst du mit?«
    »Ich weiß nicht, ob ich kann.«
    »Wochenenddienst bei den Kindern?«
    Sie nickte.
    »Komm mit«, sagte Adamek.
    Sie trennten sich. Adamek hastete zum Hotel, um zu packen, Schneider lief zur Staatsanwaltschaft zurück, wo der Wagen stand.
    Vom Zimmer aus rief er Milo an, der bei seinem Vater auf sie wartete.
    »Wie hat er’s aufgenommen?«
    »Er lässt sich nichts anmerken.«
    Adamek warf Waschutensilien in den Kulturbeutel. »Sein Sohn wird entführt, und er …«
    »Wir sind eine komplizierte Familie.«
    »Erklären Sie’s mir.«
    Adamek hörte Schritte durchs Telefon, eine Tür wurde geschlossen. Milo schneuzte sich, dann sprach er wieder.
    Der Vater hatte Thomas aus seinem Leben getilgt. Der Stolz damals auf den Sohn, der für die Heimat gekämpft hatte, dann die Ernüchterung, als er zum Deserteur geworden war und die eigene Armee der Kriegsverbrechen bezichtigte. Der Sohn hieß nun anders, interessierte sich nicht mehr für Kroatien, ging fort, um die Serbin Jelena zu heiraten. Im Jahr darauf starb die Mutter an der Trauer, dann wurde in Hamburg ein Enkelkind geboren, von dem der Vater nur Fotos zu Gesicht bekam.
    In gewisser Weise, sagte Milo, sei Thomas für ihn tatsächlich am 12. September 1995 in Bosnien ums Leben gekommen. Am 30. August habe er ein letztes Mal mit ihm telefoniert. Am 14. September habe die Familie die Nachricht von seinem Tod nahe Drvar erhalten.
    Zwei Anrufe, die nicht stattgefunden hatten – und für den Vater doch zur Wirklichkeit geworden waren.
    »Und dieser Damir?«
    »Erfunden.«
    Adamek war auf das Bett gesunken. Er dachte an das Gespräch mit Petar Ćavar. Die Lüge als eine persönliche Form der Wahrheit.
    »Sie haben sich nie wieder gesehen?«
    »Doch, natürlich,

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