Der Kalte
habe ich gleich zu sagen?«
»Sie missverstehen mich. Wir wollen das Pferd doch vorher anschauen.«
»Ich missverstehe Sie gar nicht. Mittwoch kommt Herbert zurück. Er geht hernach mit dem Tonio Gaspari zur Werkstatt. Mein Mann hat es nicht vergessen, machen Sie sich keine Sorgen.«
»Gaspari? Aber das Pferd haben doch wir in Auftrag gegeben!«
»Rufen Sie mich am besten Donnerstagmittag nochmals an. Wenn mein Mann das Pferd freigibt, dann gehen Sie halt mit. Ist es so recht?«
»Ich bedanke mich, Frau Krieglach. So machen wir es. Danke.«
Judith schüttelte den Kopf. Was die von mir glaubt, dachte sie und musste lächeln. Sie verständigte Boaz Samueli, teilte ihm den Verdacht mit, dass Krieglach und Gaspari die Aktion an sich reißen und sich gleichsam an die Spitze stellen wollten.
»Und wir sollen bloß das Fußvolk mobilisieren und den Namen für die Demoanmeldung hergeben dürfen.«
»Ist doch egal«, sagte Samueli. »Wenn die Künstler mit Leidenschaft bei der Sache sind, ist das doch herrlich. Ich versuche übrigens grade Paula Williams zu gewinnen, eine der Reden zu halten.«
»Die redet doch seit neuestem nicht mehr öffentlich.«
»Für uns doch. Hoffentlich. Hirschfeld ist mit ihr bekannt. Ich spanne ihn ein. Wann kommt der Krieglach zurück?«
Judith sagte es ihm und verlangte für Dienstag eine Sitzung. Boaz stimmte diesem Vorschlag zu.
Apolloner kam nackt und mit gewaschenen Haaren aus Judiths Bad und ließ sich, während er sich auf der Lehne des Sofas niederließ, berichten, wie es in der Causa Holzpferd weitergegangen war.
34.
Rosinger saß im »Erzherzog Johann« und fuhr nach Bad Aussee. Während der Fahrt sah er unentwegt aus dem Fenster. Mitreisende nahm er kaum wahr. Als er in Bad Aussee ausstieg, war das Wetter umgeschlagen. Schwere Wolkenbänke auf Loser und Trisselwand, der Loserkopf verschwand und kam wieder. Es begann zu regnen, als Rosinger im Bahnhofseingang stand, aus der Brusttasche seines grünen Anoraks einen Zettel herauszog und ihn lange
betrachtete. Er trat auf die Straße, zog die Kapuze auf den Kopf bis knapp über die Augen und marschierte zum Café Lewandowski. Von dort nahm er ein Taxi.
»Schattenleitenstraße«, sagte er. Der Taxler nickte und fuhr los. Über den Rückspiegel sahen sich die beiden Männer an.
»Wollen Sie zum Doktor Rastl?«
»Hm.«
»Solche wie Sie wollen alle zum Doktor Rastl. Dafür hab ich einen Blick.«
»Fahren Sie und reden Sie nicht.«
»Wie Sie meinen, Chef«. Der Fahrer schaltete das Radio ein. »Störts?«
»Ja.«
In Altaussee bogen sie links ab und schraubten sich die Straße hinauf nach Lupitsch. Je näher Rosinger seinem Ziel kam, desto heftiger regnete es. Als er ausstieg, goss es derart, dass er wieder einstieg und den Fahrer anwies zu warten. Außer dem Geprassel war es still im Wagen.
»Wie lang stehen wir, Chef?«, fragte der Fahrer.
»Ich sag es Ihnen.«
»Die Uhr läuft.«
Schließlich zahlte Rosinger, stieg aus und stand, nachdem das Taxi weggefahren war, noch ein Weilchen vor dem Tor, hinter dem ein schmaler Vorgarten links und rechts vorm Wohnhaus verlief, las das Schild unter der Glocke, drückte. Er hörte ein Glockenspiel, und ein Hund begann zu bellen. Aus der Gegensprechanlage kam eine männliche Stimme, Rosinger beugte sich vor und nannte seinen Namen, es knarrte, und er stieß zögernd das Tor auf.
Im Wohnzimmer nahm Rosinger auf einem geblümten Sofa Platz, stumpfwinkelig dazu auf einem schwarzen Sofa saß Hubert Rastl, ein gedrungener und rotgesichtiger
Mann, dessen hellblaue Augen die Gesichtszüge seines Besuchers musterten. Er öffnete seinen Mund, und mit wohlklingender Stimme begann er zu sprechen und sagte:
»Mauss hat Sie angekündigt. Ich weiß natürlich, wer Sie sind und wer Sie waren. Vierzig Jahre danach kommen noch immer alle Ratsuchenden zum guten alten Rastl. Was soll ich da sagen? Ich bin ein Schuldirektor, und ich bin es sehr gern. Wollen Sie rauchen? Gestatten Sie, ich rauche. Wollen Sie was trinken? Gar nichts? Also ich habe meine Schüler, alles Hilfsbedürftige, alles Menschen, die in anderen Schulen nicht recht weitergekommen waren. Alles kommt zum guten alten Rastl. Sie suchen wen? Sie suchen den Toni Egger, der schon Jahrzehnte Eigler heißt und sich seit neuestem auch von diesem Namen verabschiedet hat? Sie, Willi Rosinger, werden mich nun fragen, warum der Toni schon wieder seinen Namen änderte. Nein, das fragen Sie mich nicht, das wissen Sie ohnedies. Sie haben
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