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Der Kalte

Der Kalte

Titel: Der Kalte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Schindel
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für Wais als Bundespräsident« reden und danken. Kleinbauer würde zu den Kandidaten überleiten, hiebei seine eigene Kurzanalyse des Wahlergebnisses einflechten. Erst dann würde Neuner zu seiner Niederlage befragt werden; Doktor Wais sollte daneben stehen, doch Weber hatte im letzten Moment auch noch auf einen eigenen und alleinigen Auftritt des künftigen Bundespräsidenten bestanden.
    Nun trat aber Marits hinter das Mikrofon, nahm die Ver
antwortung für die Wahlniederlage auf sich, verzichtete auf die übliche Redensart, es werde in den Gremien analysiert und die weitere Vorgehensweise beraten, sondern erklärte schlankweg seinen Rücktritt als Bundeskanzler. Im neben ihm harrenden Beran begann nun eine stumme Fragerei, was er jetzt am geschicktesten tun sollte und wieso ihn vorab keiner informiert hatte. Dabei verfratzte sich sein Gesicht, er spürte die ersten Schweißtropfen auf der Stirn. So überhörte er das meiste dessen, was Marits gesagt hatte, es war wenig genug. Als sich Kleinbauer an ihn wandte, begann Beran sich ausführlich bei den Wählern und Mitarbeitern zu bedanken, damit er sich, während er all das herausfloskelte, eine Antwort auf Kleinbauers Frage zurechtzimmern konnte.
    »Das überrascht mich nicht«, sagte er zu seiner eigenen Überraschung, »die Art des Wahlkampfes, diese Kampagne gegen das anständige Österreich war ohnedies rücktrittsreif für alle dafür Verantwortlichen.« Die nächste Frage beantwortete er mit dem Hinweis auf die Beratungen in den Gremien und wiederholte diesen Satz mit kleinen Abweichungen, bis der Moderator von ihm abließ. Alle außer Kleinbauer gingen aus dem Bild. Er schaute in die Kamera, lächelte den Rest seiner Verblüffung weg und kündigte den Wahlsieger an. Johann Wais wurde ihm zur Seite gestellt.
    Wais nahm die erste Frage zum Anlass, um aus dem Gedächtnis eine kleine Rede aufzusagen, die er mit dem Satz »Meine lieben Landsleute« eröffnete. Dabei breitete er wiederum seine Arme aus. Mit Wohlwollen, das sein Antlitz mehr und mehr überzog, dankte er nun allen und versprach, ein Bundespräsident für alle Österreicher zu sein. Kleinbauer wartete und wollte anschließend Fragen zur neuen Konstellation, die sich durch Marits' Rücktritt erge
ben hatte, stellen, doch er sah, dass Wais unterhalb des von ihm vermuteten Kameraauschnittes seine linke Hand heftig nach links und rechts bewegte.
    »Ich danke Ihnen«, sagte Kleinbauer nach Ende der kleinen Rede und gab zum Nachrichtensprecher der Zeit im Bild hinüber. Der war damit beschäftigt, Zettel, die ihm auf den Tisch gelegt worden waren, zu lesen und in Verlautbarungen umzuwandeln. Plötzlich war er im Bild und musste etwas tun. Er fragte die Regie, wie es jetzt weiterginge. Es wurde ein weiteres Blatt vor ihn hingelegt. Nach einem Blick darauf kündigte er eine zusätzliche Sondersendung aus Anlass des Rücktritts von Bundeskanzler Marits an.
    »Nun zu den übrigen Nachrichten des Tages«, sagte er.
    33.
    Einige Male versuchte Judith, den Bildhauer Krieglach im Atelier zu erreichen, nachdem Apolloner in ihrem Bad verschwunden war. Schließlich rief sie in der Schadekgasse an.
    »Mein Mann ist in Düsseldorf«, sagte Emmy. »Sind Sie Judith Zischka? Sie rufen wegen des Pferdes an?«
    »Ja, Frau Krieglach. Ich habe es schon etliche Male probiert.«
    »Aber er ist in Düsseldorf. Soll ich Ihnen eine Telefonnummer geben?«
    »Was nützt mir das, wenn er in Düsseldorf ist? Wir brauchen das Pferd.«
    »Das Pferd steht in der Bühnenwerkstatt des Volkstheaters und ist längst fertig.«
    »Ach so? Wieso wissen wir nichts davon?«
    »Wen meinen Sie mit wir?«
    »Club Diderot – Anderes Österreich.«
    »Jaja, die haben ihn seinerzeit ersucht.«
    »Ich habe ihn ersucht, Frau Krieglach. Ich war bei ihm im Atelier. Vor meinen Augen hat er eine erste Skizze gemacht.«
    »Erste Skizze? Es gibt doch nur diese eine Skizze. Danach hat die Werkstatt das Pferd gebaut.«
    »Und wann kriegen wir es jetzt? Wissen Sie Bescheid?«
    »Ich weiß immer Bescheid, Frau Zischka. Ich wusste auch, dass Sie sich im Atelier meines Mannes aufgehalten haben.« Judith beschlich ein unangenehmes Gefühl.
    »Ach so, ja gut«, sagte sie. »Kann ich, können wir das Pferd sehen?«
    »Es soll bei der Angelobung aufgestellt werden.«
    »Eben. Aber das müssen wir vorbereiten.«
    »Meines Wissens ist die Angelobung am achten Juli. Herbert kommt ohnedies Mittwoch oder Donnerstag zurück.«
    »Warum sagen Sie das nicht gleich?«
    »Was

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