Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kalte

Der Kalte

Titel: Der Kalte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Schindel
Vom Netzwerk:
Kontakte zu den Mimen und Diven, freundete sich noch enger mit Rüdiger Scherfele an, versuchte überhaupt, an große Geschichten heranzukommen. Mehr noch als Apolloner betrieb sie den Club Diderot, wurde aktiv, umtriebig sowieso, und mit ihrer Verbindung zu Krieglach hatte sie den zweiten Nestbeschmutzer dieses Landes in ihrem Portfolio.
    Apolloner trabte hinterher und sah zu, wie ihn Samueli, Gaspari und sogar Leute wie der Exchef der sozialistischen Studenten Franz Reisner gleichsam links überholten. Kleinbauer war im ORF an vorderster Reihe im Kampf gegen den Sumpf, der nun in diesem Land aufgequollen war. Sogar sein Chef Klingler stand mehr im Aufbruchslicht als Apolloner.
    Umso mehr ließ er Judith hinter sich her traben, wenn sie anderes von ihm wollte, als sich in schnellen Umarmungen zu spüren. Sie fand sich schließlich damit ab, forderte nichts von ihm und freute sich, wenn er angelegentlich vom guten Team flüsterte, das sie seien.
    Nun wurde es aber Zeit, sich wieder ins Geschehen einzuklinken. Er initiierte ein kleines Symposium für Zeitgeschichtler zum Thema: Meldet sich die Vergangenheit zurück?
     
    Tschonkovits hatte sich schnell in New York eingelebt. Er fand eine kleine Wohnung in der fünfundachtzigsten Straße Westside im letzten Stock mit Blick auf den Central Park und das Natural History Museum. Mit Maxmann hatte er einige gute Gespräche, wurde schließlich eingeladen, vor einigen wichtigen Menschen vom Jüdischen Weltkongress zu referieren, und erhielt inoffiziell einen Konsulentenvertrag, um den Kongress bei den nächsten Schritten im Kampf gegen Johann Wais und seine Beschützer zu beraten.
    In Wien war er bei der Politik unten durch, viele Quellen waren im Nu versiegt. Martin Moldaschl ließ die Hackeln gegen ihn bis New York fliegen, und auch die Fontänen aus seinen Schmutzkübeln sollten bis Manhattan reichen. Andere und auch gemäßigte Journalisten schlossen sich im Kern Moldaschl an: Er, Johannes Tschonkovits, sei ein Verräter am österreichischen Volk. Er hätte ausländische Mächte auf Österreich gehetzt. Er hätte die Nazizeit in politisches Kleingeld umgewechselt, bloß damit die Sozialdemokratie nicht durch einen in der Zweiten Republik erstmals bürgerlichen Bundespräsidenten gedemütigt würde.  
    Als er vom Symposium erfuhr, das demnächst in Wien beginnen sollte, rief er kurzerhand Apolloner an.
     
    Apolloner war, was nicht häufig vorkam, in den Armen von Judith eingeschlafen, er hatte sich zur Seite gedreht, ihr den Rücken gekehrt, sodass sie wie ein Rucksack hinter ihm an ihm war. In dieser Löffelposition wurde er durch das Telefon aufgeschreckt. Er warf einen Blick auf den Wecker,
schob Judiths Arme behutsam von sich und stieg aus dem Bett. Vater ist gestorben, dachte er. Er hob den Hörer ab und sagte mit weicher Stimme seinen Namen.
    »Ach ja, ich bin blöd, habe vergessen«, sagte Tschonkovits. »Bei euch ists ja tief in der Nacht. Vier?«
    »Ja, vier«, sagte Roman, legte auf und ging zurück ins Bett. Judith hatte sich auf die andere Seite gedreht. Er lag nun neben ihr auf dem Rücken.
    »Wer war es?«, ließ sie sich plötzlich vernehmen.
    »Tschonkovits. Er muss besoffen sein. Schlaf weiter.«
    Judith schwieg, als wäre sie nicht aufgewacht, er hörte ihrem ruhigen kraftvollen Nachtatem zu, äugte zu ihr hin, bildete sich ein, im Dunkel ihren Nacken schimmern zu sehen. Langsam und so, als würde sie sich nicht aufdrängen wollen, stieg die Erregung in ihm hoch. Er zögerte, führte sodann seinen Mund an ihren Rücken heran, wollte mit der Nase an ihm herauf zu ihrem Nacken, da sagte sie mit klarer Stimme:
    »Johannes ist in New York.«
    Roman sank zurück, blieb eine Weile so liegen.
    »Stimmt«, sagte er.
    »Ruf ihn zurück. Wenn er dich um diese Zeit anruft, hat er was. Das gibt womöglich einen Knüller.«
    »Ich hab seine Nummer in der Redaktion.«
    »Ich fahr dich hin.«
    Judith sprang auf, lief zum Schalter, machte Licht, stand da, nackt und mit wachen großen Augen.
    »Du bist schön«, murmelte Roman. Judith ging zur Bettkante, beugte sich hinunter und zog die Decke weg. »Dafür muss noch Zeit sein«, sagte sie und setzte sich behutsam und zielsicher auf ihn.
    In der Redaktion rief er Tschonkovits zurück. Judith stand hinter ihm und massierte ihm Nacken und Schultern.
    »Nein«, sagte Johannes, »nichts Extriges, keine konkrete Geschichte. Ich berate Isaac Maxmann. Er hat sich als unerbittlicher und leidenschaftlicher Gegner von Wais

Weitere Kostenlose Bücher