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Der Kalte

Der Kalte

Titel: Der Kalte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Schindel
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herausgestellt.«
    »Persönliche Rechnung?«
    »Sieht so aus. Sein Großvater war in Thessaloniki und wurde von dort nach Auschwitz geschickt und vergast. Wais saß dort hinter einem kleinen Hügel und schrieb angeblich Liebesbriefe an Aglaja, manikürte sich die Fingernägel und stutzte sein Hitlerbärtchen.«
    »Er hatte keinen Schnurrbart.«
    »Maxmann hat eine erstklassige Verbindung zum Weißen Haus.«
    »Wie im Klischee.«
    »Wie meinst du das? Aber nein. Hier bilden alle Gruppen Lobbys. Warum nicht auch die Juden. Grad die haben doch ihre Erfahrungen.«
    »Schon gut, mir brauchst du das nicht zu erklären. Es geht um andere.«
    »Das ist dem Maxmann wurscht. Er will den Präsidentenberater Abi Meyer davon überzeugen, dass Wais auf die Watchlist gesetzt werden muss, er also nicht mehr in die Staaten einreisen kann.«
    »Das wär eine Sache. Na bumm«, machte Apolloner. Judith hörte mit dem Massieren auf.
    »Was sagt er?« Apolloner schüttelte den Kopf und lauschte.
    »Es kümmert die amerikanischen Juden überhaupt nicht, wie sich das auf die österreichische Innenpolitik auswirkt. Isaac ist davon überzeugt, dass Wais ein Verbrecher und ein Lügner ist. Er will ihn stoppen. Ihm sind die Befindlichkeiten der österreichischen Nazis und Antisemiten gleichgültig.«
    »Du wiederholst dich.«
    »Ja«, schrie Tschonkovits, »ich wiederhole mich deshalb, weil ich das für eine Katastrophe halte. Das wird den Judenhass immens vergrößern.«
    »Du denkst an deine Sozis, die unterzugehen drohen?«
    »Nein, aber es wäre extrem ungeschickt. Man sollte versuchen herauszukriegen, und zwar weltweit forschend, ob und was Wais getan hat. Erst wenn wir Beweise haben, soll er auch auf die Watchlist kommen. Dann muss er jedenfalls zurücktreten, das ist doch der Sinn der Sache.«
    »Johannes! Nach den Antisemiten darf man sich nicht richten! Das nützt gar nichts. Was soll ich jetzt tun?«
    »Es weiß ja außer mir und dir niemand von der Sache. Ich trau mich nicht, mit Theo in Verbindung zu treten, er hat auch indirekt gesagt, er wünsche gegenwärtig keine Kontaktaufnahme. Auch sonst redet keiner mit mir. Nicht Lebensart, nicht Braunschw…«
    »Ich soll zu Marits?«, unterbrach Apolloner. »Das geht nicht ohne Klingler.«
    »Nein, Roman. Setz dich in Verbindung mit dem Salo Braunschweiger.«
    »Dem Präsidenten der hiesigen Kultusgemeinde?«
    »Kennst du noch einen anderen? Weihe ihn ein. Nur er kann Maxmann und Aisik bremsen.«
    »Wer ist Aisik?«
    »John Aisik, eine Art Chef der Präsidentschaftskanzlei. Hier ist das etwas anders struktur …«
    »Du spielst schon wieder mit zwei Händen achthändig Klavier«, sagte Apolloner. »Du kannst es nicht lassen.«
    »Mir haben sie die Hände abgehackt. Mir gehts nicht besonders. Exil.«
    »Ach, herrje. Du zauberst doch wieder.«
    »Ich versuch dem Theo zu helfen. Und Österreich.«
    »Und der Welt.«
    »Spott nur.«
    »Will ich gar nicht«, sagte Apolloner. »Okay, ich mach das.«
    »Es eilt, verstehst du?«
    »Machs gut, Johannes. Grüße von Judith.«
    »Du hasts gut. Grüße zurück.« Tschonkovits lachte kurz. »Also servus.«
    Roman berichtete Judith. Sie schwiegen und dachten nach, indes es draußen hell wurde.
    11.
    Der letzte Traum hing Fraul noch tagelang vor den Augen. Er begann sich vor dem Gedanken, was er als SS -Mann in Auschwitz getan hätte, zu fürchten. Er umkreiste ihn, schien aber weitere Albträume von Edmund abzuhalten. Nach vier Wochen, es war Mitte November, hatte sich der Gedanke endgültig in Form des unverwechselbaren Birkenaugeruchs in ihm festgesetzt. Die Lagerträume von Rosa häuften sich wieder, seit sie vom Raxblick zurückgekehrt war. Am siebzehnten November nahm sie ihre Tätigkeit bei Hugo Sillinger wieder auf. Gelegentlich ließ sie nun die kleine grüne Tür offen. Sillinger schloss sie von Zeit zu Zeit, da er dachte, Rosa hätte es bloß vergessen, doch sie machte die Tür wieder auf und konnte so aus den Augenwinkeln die im Büchergang herumsuchenden Kunden beobachten. Andrerseits irrte sie sich beim Auszeichnen, verwechselte Preis und Buch und musste nach einem Kontrollblick in die Listen aufstehen und das falsch gepreiste Buch wieder einfangen gehen. Sie machte Bekanntschaft mit dem gewöhnlichen Verkaufsgeschäft, da die Kunden sie aufhielten, um sie allerlei zu fragen. Zwar
verwies sie anfangs auf andere Mitarbeiterinnen, schließlich inspizierte sie nach Dienstschluss die verbliebenen Bestände und machte sich damit

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