Der Kalte
dass seine Wehmut sich in einen Zauber verwandelte, und er kam mir nahe wie nie zuvor. Ich hatte fast schon etwas Spundus, als wir danach so Kopf an Kopf nebeneinanderlagen und redeten. Wir freuten uns beide über den glückseligen Felix, der sich huldigen ließ wie in alten Zeiten. Wenn ich mich nicht getäuscht habe, war er um die Zischka herum und flirtete direkt mit ihr. Ich kann mich gar nicht erinnern, wann Herr Dauendin das letzte Mal mit einer Frau geflirtet hat.
»Die hat mich einmal verrissen, noch in Graz«, sagte Karel grinsend und biss mich ins Ohrläppchen. »Sie hat sich ein Jahr lang vor mir gefürchtet. Schastrommel hab ich sie ge
nannt. Jetzt geht sie mit dem Apolloner, dem ich eine auf die Nase gegeben habe.« Er richtete sich auf, sah zu mir herunter. »Eigentlich bin ich ein Arsch.« Er stürzte mit seinem Gesicht herab auf meine Brüste, küsste sie, ich aber zog ihn an den Haaren davon weg. Ich drehte mich auf den Bauch und schon war er wieder da, den Rücken hinunter bis zu meinen Kniekehlen.
Später rollte er sich zusammen und schlief ein. Es war eine Vertrautheit zwischen uns, die mich beunruhigte. Ich war nicht auf eine fixe Beziehung aus, aber es begann sich danach anzufühlen. Er wird nicht bei mir bleiben, dachte ich. Früher oder später wird er sich vertschüssen. Mich hat mit achtzehn das erste und letzte Mal ein Mann verlassen. Ich weiß gar nicht, wie ich jetzt damit umgehen würde. Ich glaube, das könnte ich gar nicht haben. Mitte dreißig. Das wäre ja sehr hübsch.
Ich stand auf und ging in seine verdreckte Küche, suchte mir ein Glas und sah nach, ob es im Kühlschrank Mineralwasser gab. Nix. Ich trank das lauwarme Kahnwasser aus der Leitung. Ich sollte mich anziehen und verschwinden. Ich sollte diesen Mann auf Distanz halten. Erst war es pricklig mit ihm, dann hat er mich gebraucht. Ich habe einiges erreicht für ihn. Ich holte mir die Zigaretten aus der Handtasche, blieb in der Küche hocken. Ein unbestimmter Schmerz zog sich vom Bauch herauf in die Brust. Und morgen wieder die Phädra, dachte ich. Und wieder sein verächtlicher Blick.
»Komm ins Bett«, sagte Karel. Ich blickte auf. Er stand nackt in der Tür. Er verschwand, ich hörte die Klospülung. »Na, was ist?« Er kam zu mir und zog mich vom Stuhl hoch. »Hast du was?« Ich schüttelte den Kopf, warf die Zigarette ins Wasserglas und folgte seinem Knackarsch zurück ins Bett.
»He, Asta«, flüsterte er und nahm mich in die Arme. »Ich steh auf dich. Ich liebe dich.«
»Quatsch«, sagte ich und begann ihn zu küssen.
Am Morgen fuhr ich heim, bereitete das Frühstück und weckte Felix. Wir saßen lange am Frühstückstisch und plauderten.
Astrid war gegangen, Karl legte sich nochmals zurück ins Bett, suchte im Bernhardi eine Stelle, bei der er gewackelt hatte. Das Gespräch mit dem Ebenwald. Der Vesely spielt den eh ziemlich infam, dachte er. Wenn er mich fragt: Also, wie tragt er denn vor , sage ich: Eigentlich ganz gut. Er sagt: So. Ich merk nicht, worauf er hinauswill, denn der Wenger, den ich mit Eigentlich ganz gut lobe, ist dem Ebenwald ein Ärgernis, weil er ein Jude ist und dem Christen Hell die Stelle wegzunehmen droht. Klar, der Ebenwald will mich auf seiner Seite haben. Aber das weiß der doch schon von Vornherein, dass ich auf seiner Seite steh. Trotzdem hab ich so rumlaviert. Karl murmelte: »Vielleicht etwas zu gelehrt. Aaaaber recht lebendig. Freilich – aber, ich darf mir vielleicht nicht erlauben, über einen künftigen Chef … Jetzt unterbricht er mich: Wieso künftiger Chef … Privatgespräch … Riedhof … und dann: Was haben Sie gegen den Doktor Wenger? Volkes Stimme, Gottes Stimme. Dann hab ich zu lasch, fast wackelig gesagt: Also, gegen seinen Vortrag hab ich eigentlich weniger, aber so seine ganze Art.« Karl wiederholte den Satz mit unterschiedlichen Betonungen. Die Art, dachte er, was für eine Art? Ebenwald zitiert dann seinen Vetter aus dem Parlament herbei: … was mein Vetter neulich … den Jargon der Seele genannt hat. Dann sag ich: Ah sehr gut. Jargon der Seele. Meine Antwort bringe ich nicht richtig: Den anderen hat er aber auch, der Doktor Wenger. Gemeint ist der jüdische Jargon, das Gejüdel, der Akzent. Soll ich das nachahmen: Den anderen hat ä auch oder so? Das ist zu
plump. Ich habs aber so nebenbei gesagt, das kommt nicht, das bringts nicht. Karl probierte aus und murmelte den Satz: »Den anderen hat er aber …« Karl schwieg kurz. »… auch, der
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