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Der Kalte

Der Kalte

Titel: Der Kalte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Schindel
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hat es geschafft, dennoch an einige Textstellen heranzukommen. Man bittet Sie, diese an den Kolumnisten Moldaschl von der Stunde, besser bekannt als Kampl, zu schicken oder persönlich in der Redaktion abzugeben. Da
zu das verschlossene Kuvert, das man Ihnen mitgeschickt hat. Sie, sehr geehrte Frau Auer, können mithelfen, dass die Aufführung des Stückes verhindert wird. Bitte um der bestmöglichen Wirkung willen, niemand außer Moldaschl zu informieren. Auch nicht den geschätzten Jupp Toplitzer, in dessen Interesse die geplante Aktion durchaus liegt.
    Mit freundlichen Grüßen … PS : Anbei ein kleiner Betrag für Ihre Spesen.
    Rosinger griff nochmals in den Umschlag, holte den Geldschein heraus und löste vorsichtig ein kleines weißes Kuvert vom größeren ab. Beide lasen nun die Textstellen und gingen ins Wohnzimmer zurück. Rosinger verabschiedete sich nochmals und stapfte in seine Wohnung hinüber. Er schaltete den Fernseher ein und platzte in einen deutschen Spielfilm mit Elisabeth Trissenaar und Kurt Raab. Als er diesen Schauspieler sah, fiel ihm ein, wer der Mann war, der den Umschlag überbracht hatte. Der hatte doch ein Buch geschrieben über alte Nazis, dachte er, und was aus ihnen im Nachkrieg geworden war und wie ihre Kinder zum Nazitum der Eltern stünden. Ich habe ihm nichts Besonderes erzählt. Deswegen bin ich in seinem Büchel auch nicht vorgekommen. Ist er nicht auch bei der Agnes gewesen und war enttäuscht, dass sie keine Kinder hat? Rosinger fiel der Name des Mannes nicht ein. Er drehte den Fernseher ab und setzte sich zum Fenster, nahm das neue Allan-Wilton-Heft und begann zu lesen. Später lag er lange wach. Soll ich dem Fraul davon erzählen?
     
    Schönn klatschte in die Hände.
    »Weiter mit der Probe. Was isn los?«
    Kaspar Nesser, der als der alte Albert Kieler im Rollstuhl zu sitzen hatte, reichte dem Direktor von der Bühne herab die
Zeitung. Schönn überflog den Artikel, legte das Blatt neben sich.
    »Das ist mir schnurz.«
    »Fällt dir nichts auf?«, fragte Astrid von Gehlen, die neben dem Rollstuhl postiert war, diesem nun einen Tritt versetzte, sodass er nach vorne zu rollen begann.
    »Mir fällt auf, dass ihr mit allem beschäftigt seid, nur nicht mit dem Stück.« Schönn schaute Astrid von unten ins Gesicht.
    »Achso«, sagte er langsam. »Woher hat der Moldaschl den Text?« Er nahm die Zeitung wieder auf, setzte sich nieder und las den Artikel nochmals. »Das ist ja wortwörtlich!«
    »Eben«, sagte Astrid.
    »Pause«, sagte Schönn. »Ich komme hinauf.« Er begab sich auf die Bühne.
    »Hört zu. Die wollen uns fertigmachen. Die wollen, dass wir das Ding absetzen. Daran seht ihr, wie es wirkt. Wir machen seelenruhig weiter.«
    »Seelenruhig«, kicherte Nesser. »Du hast Nerven.«
    »Und ob ich Nerven hab. Und ihr auch. Ihr habt auch Nerven zu haben. Es gibt eine undichte Stelle. Na, wenn schon. Wir schreiben ohnedies nunmehr Theatergeschichte. Das ganze Land erkennt sich in den Erzsätzen von Muthesius. Dazu haben wir ihn ja. Literatur, Theater, Kunst, das ist nicht zum Krenreiben, wie man in Wien sagt. Jetzt fahren wir den Spießern, den Altnazis, den Ignoranten in die Parade. Jetzt zeigen wir der Bourgeosie im Gesamten, was Sache ist. Wir sind die Aufklärer in diesem Land. Das ist nun unsere historische Aufgabe geworden. Ich könnte den Raimund abküssen für den Text. Wir stehen dafür ein. Wer nicht will, soll jetzt abgehen! Er soll sich verdünnisieren!«
    Nesser lachte.
    »Von mir aus«, sagte er, »ich spiele, was auf dem Zettel steht. Mir ist doch wurscht, was der Kampl schreibt.«
    »Danach können wir abhauen«, sagte Astrid von Gehlen düster.
    »Willste die Rolle niederlegen?«
    »Nee, Dietger.«
    Dauendin, der bisher geschwiegen hatte, nahm Astrid an der Hand. »Wird schon«, sagte er leise.
    »Schluss der Debatte«, rief Schönn. »Weiter gehts.«
    Die Schauspieler nahmen ihre Positionen wieder ein. Scherfele gab den Einsatz.
     
    Albert Kieler: » Hrwww .«
    Hubert Kieler: » Es ist wieder so weit. Vater will reden. Schwester, walte deines Amtes. «
    Alberta: » Ich bereue es schon … «
    »Stopp«, sagte Schönn. »Felix, lach nach deinem Satz. Astrid, du musst ganz zum Vater hingehen. Beuge dich über ihn. Denn er redet ja durch dich. Weiter mit walte .«
    » Walte deines Amtes «, sagte Dauendin als Hubert und ließ ein hohndurchsetztes Glucksen aus dem Mund fallen. Astrid beugte sich über Nesser: » Ich bereue es schon, meine Kinder …

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