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Der Kalte

Der Kalte

Titel: Der Kalte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Schindel
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Dolores zu und war aus dem Zimmer.
    »Nein, warte«, rief ihr Stefan nach. Die Tür draußen fiel ins Schloss.
    »Ich war schon in der Hardtgasse bei deiner Mutter«, sagte Dolores schnell. »Kein Wort hat sie mir gesagt, dass du eine neue Freundin hast. Bravo.«
    »Servus, Dolly«, sagte Stefan. Sie spazierte an ihm vorüber und aus dem Zimmer, er hinter ihr her. Sie begann die Wohnung zu besichtigen. Ihr Gesicht war langsam rot angelaufen, als wäre sie sich allmählich der Situation bewusst geworden. Sie öffnete schließlich die Tür zum Eiskasten und betrachtete einen Joghurtbecher. Stefan griff ihr von hinten an die Schulter. Sie holte den Becher heraus.
    »Gib mir ein Löfferl«, sagte sie.
    38.
    Mich hat der Saupreuß im neuen Muthesius doch nicht besetzt. Nicht einmal mit der Winzigrolle des Burghauptmanns wie versprochen. Das habe ich mir eh gedacht. Moritz Vesely bebte vor Zorn. Er saß allein in der Kantine, weil er nachher noch Probe hatte. Vor dem Gesicht hielt er den Ausblick, konnte die Artikel aber nicht in sich aufnehmen, da die Wut derart sein Gehirn durchwühlte und jegliche Aufmerksamkeit abzog. Dem Kasperl Nesser, dachte er, haben sie die Rolle des Albert Kieler gegeben, diesem Jünger des epileptischen Theaters. Veselys Blick blieb an einem Artikel von Gustav Felsberg hängen. Nicht der Artikel interessierte ihn, sondern der Verfasser. Ist das nicht der Jud, der lange von New York aus für den Ausblick berichtet hat, ein Freund des Herausgebers ist und mittlerweile wieder in Wien lebt? Vesely stand auf, ging hinauf und hinüber zur Dramaturgie. Scherfele sah hoch.
    »Kommst du zu mir?«
    Vesely nickte und überlegte sich, was er dem aufgeblasenen Rüdiger auftischen könnte. Scherfele sprang auf, bat Vesely zu warten und lief aus dem Zimmer. Vesely sah ihm nach, näherte sich mit schiefem Kopf dem Schreibtisch und bemerkte einen Stapel Manuskripte. Er nahm das oberste an sich, las den Titel, steckte sich das Papier ins Sakko und verließ die Dramaturgie. Er eilte aus dem Haus und die Teinfaltstraße hinunter, links die Herrengasse entlang zur Post. Nachdem er das Stück VOM BALKON dort zweimal kopiert hatte, hetzte er zurück, betrat die Dramaturgie, legte ein Exemplar auf den Stapel zurück.
    »Jetzt habe ich keine Zeit mehr«, sagte er maulend zu Scherfele, als der mit Mappen bepackt zurückkam.
    Nach der Probe spazierte Vesely heim, machte sich sein
Nachtmahl, setzte sich in seinen Lehnstuhl und las das Stück.
    Dieser Muthesius ist ein echtes Ekelpaket, ein Rabenaas, ein geschäftstüchtiger Polemiker, der seit Jahr und Tag den Schönn mit seinen immer gleichen Suaden beliefert. Ich hätte durchaus gern auch einmal so einen Muthesius'schen Grantscherben gespielt, aber es haben doch immer die Piefkes Vorfahrt. Na warte, Dietger Schönn! Ein witziger Antifaschismus ist durchaus nötig in diesem Land. Was aber der verkappte Katholerer aus Oberösterreich an Hass und Unrat über Österreich ausschüttet, geht auf keine Kuhhaut. Das könnte, dachte Vesely und kicherte in sich hinein, ein mittleres Skandalerl werden, wenn mans richtig anpackte.
    Er rief Judith Zischka an und erreichte sie sofort. Der Obergscheiten sage ich gar nichts, dachte er.
    »Grüß dich Gott, Judith, hier ist Moritz. Moritz Vesely.
    –
    Erkennst meine Stimme nicht?
    –
    Stör ich dich?
    –
    Das tut mir leid. Ich will bloß eine Telefonnummer von dir. Er heißt Gustav Felsberg.
    –
    Achso, von dem Dreckskerl hast du keine Nummer.
    –
    Gut, ein ander Mal. Küss die Hand, Judith. Wie gehts der Kleinen?
    –
    Sie hustet? Aber sonst?
    –
    Das freut mich. Also servus.«
    Dreckskerl? Umso besser, dachte Vesely. Dann ist der Felsberg genau der Richtige. Nachdem er eine Weile herumtelefoniert hatte, bekam er die Nummer, rief ihn an, sprach ihm auf den Anrufbeantworter, nahm sich das Stück wiederum her, begann diverse Stellen herauszustreichen. Schließlich spannte er Papier in seine Schreibmaschine, schrieb einzelne Stellen ab. Als Felsberg zurückrief, war er fertig.
    »Ich hätte«, sagte Vesely leise ins Telefon, »eine recht heiße Sache. Kennen Sie das neue Stück von Muthesius?«
    »Das kennt doch keiner. Vesely, wollen Sie mich rollen?« 
    »Nichts ferner als das! Ich habs. Ich habs.«
    »Sie haben das Stück, welches total unter Verschluss ist? Achso, Sie wirken mit.«
    »Ich wirke nicht mit! Es ist ein Skandalstück.«
    »Jeder Muthesius ist ein Skandal. Wollen Sie es mir etwa zeigen?«
    »Es ist eine derartige

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