Der Kammerjäger
gewöhnlichen Heimchen (Acheta domestica), weil es wenige Dinge in seinem Leben gab, die Bob mehr genoß als die Laute, die die Grillen mit ihren Zirpapparaten erzeugten. Der Klang erinnerte ihn an die Zeltausflüge mit seinem Dad.
Bobs Vater war jeden Sommer mit ihm zum Big Moose Lake in den Adirondacks gefahren. Tagsüber machten sie lange Wanderungen und angelten stundenlang, und nachts saßen sie am Campfeuer, brieten sich Würstchen und Marshmallows, und die Hitze der orangeroten und blauen Flammen machte Bobs Augen ganz träge, so daß er hypnotisiert ins Feuer starrte, bis sein Vater plötzlich «Glühwürmchen» rief und Bob aus seinen Träumereien aufschreckte und aufsprang, um dem blinkenden geflügelten Licht durch die Dunkelheit hinterherzujagen.
Bob erinnerte sich gerne an diese Ausflüge, und sie waren einer der Gründe, warum es ihn aus New York wegzog. Er wollte an einem Ort leben, wo das Leuchten der Sterne nicht in künstlichem Licht ertränkt wurde, wo man angeln und Glühwürmchen jagen konnte.
Aber vorläufig blieb es bei ein paar Grillen, um sich dieses Ziel lautstark in Erinnerung zu behalten.
Manchmal, wenn Bob sich spätabends in irgendeinen Aspekt der Insektengenetik vertiefte, war er wie verzaubert von den Lauten, die die Käfer im Konzert veranstalteten.
Aus Gründen, die sich Bob nie erklären konnte, wurde es im Wanzsaal plötzlich still. Dann setzte eine Art leises weißes Rauschen ein - der Gesamtton, der durch das Wedeln von Kiefertastern und Rüsseln erzeugt wurde, dazu das Gekratze der Kakerlaken, das dadurch entstand, daß ihre steifen, borstenähnlichen Sporen an den Beinen leicht gegen das Metall schabten, wenn sie über die feinen Maschendrahtabdeckungen ihrer Käfige huschten.
Das Geklacke schmatzender Mandibeln steuerte ein lebhaftes Perkussionselement bei, während das Geschlürfe und Gesauge von Lippentastern die rauhen dissonanten Kanten glättete.
Dann stimmten die Bienen von ihrem weißen Kasten aus ein, und das Summen ihrer Flügel vibrierte wie die Celli von der Streicherabteilung dieser Insektensinfonie. Das Ganze wurde schließlich von dem beruhigenden Klang des Grillengezirps unterlegt.
Neben den Geräuschen hatte der Raum aber auch einen ganz eigenen Geruch.
Einzeln schienen die Mordwanzen nicht zu riechen, doch zu mehreren (und womöglich befürchtend, daß sie Bestandteil irgendeines grausigen Experiments waren) gaben sie ein Aroma von sich, das süßlich, aber nicht unangenehm war.
Der leichte Duft des Bienenstocks kam von den Pheromonen, die sie absonderten, um untereinander bestimmte Verhaltensweisen auszulösen.
Die Kakerlaken und Termiten waren eine andere Sache. Ihr penetranter Geruch wurde erheblich verstärkt, wenn so große Zahlen in beengtem Raum zusammenlebten. Zum Glück wurde ihr Gestank durch andere Gerüche im Raum abgemildert. Die verschiedenen Insektendüfte vermischten sich mit dem sachten Muffen der alten Bücher auf den Regalen.
Die grauen Stahl-Regalelemente beherbergten eine eindrucksvolle Bibliothek von Nachschlagewerken über Bobs Kerbtierfreunde, einschließlich einiger Klassiker wie Das ABC allgemeiner Insektenanatomie; Sexuallocksto/ft und Fortpjlanzungspraktiken der Hymenoptera; und Diptera - Eigene Ordnung oder Unterklasse?
Mehrere Regale waren Werken über die chemischen Stoffe vorbehalten, die zur Insektenvernichtung und -bekämpfung eingesetzt wurden, darunter die Standardwerke TOd aus der Dose Eine Geschichte der chlorierten Kohlenwasserstoffe; DDT - Kürzel für die Katastrophe; und Meditationen über Pyrethrin.
Aber die Werke, die für Bob von größtem Interesse waren die Werke, die als Blaupause für seinen Traum dienen sollten -, waren solche wie Biologische Bekämpfungsmittel und Wirkungsvoller Einsatz von räuberischen Insekten. Diese und ähnliche Bücher predigten, daß es natürliche, nichttoxische Mittel gab, mit den Insekten, die die Menschheit zahlenmäßig derart in den Schatten stellten, fertig zu werden.
Das, so sagte Bob sein Instinkt, war seine Bestimmung: die Welt der Schädlinge auf natürliche Weise zu bekämpfen. Und das einzige Hindernis, das Bob jetzt noch davon abhielt, seiner Bestimmung zu folgen, war eine überarbeitete Kellnerin mit einem ungenutzten Diplom in Betriebswirtschaft.
«Es tut mir leid, Marcel», sagte sie, «aber ich bin bis zum Ende des Jahres ausgebucht. Nächste Woche muß ich geschäftlich nach Haiti. Danach geht's nach Ruanda, und dann muß ich einen Beraterauftrag in
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