Der Kammerjäger
Tötungsbilanz.
Spinnweben ausweichend, schlich Bob die knarrende Holztreppe in den muffigen Keller hinunter. Er durchquerte den Raum, stellte seinen Kasten auf dem feuchten Betonboden ab und klappte die rostenden Messingriegel hoch.
Er warf einen Blick auf den Casio-Chronometer aus massivem Plastik an seinem Handgelenk: 14.00 Uhr. «Pünktlich auf die Minute», murmelte er zu einer vorbeihuschenden Kakerlake.
Geübt, fast mechanisch ergriff Bob einen langen dünnen Schlauch und schraubte ihn in einen exotisch aussehenden gebogenen Holzgriff. Er befestigte einen Ventilkopf an die Apparatur, verband dann das eine Ende eines Rohres mit dem Schlauch und das andere mit einer kleinen Druckflasche. Nach diesen Handgriffen öffnete er vorsichtig ein Ventil und betätigte den Kolben, der sich auf der Flasche befand.
«Ich bin gekommen, Tod zu verbreiten», sinnierte Bob laut. Er kicherte über den melodramatischen Ton in seiner Stimme.
Dann zog er einen Bohraufsatz aus seinem Kasten und setzte ihn in den Kopf einer akkubetriebenen Black and Decker ein. Er prüfte sie - UARRRRRRSSSSSSSSSS.
Zufrieden mit seinem Werkzeug, kniete sich Bob hin und bohrte knapp über der Fußleiste ein Loch. Er zog eine Stifttaschenlampe hervor, spähte in das Loch und entdeckte, was zu töten er gekommen war: Periplaneta americana, besser bekannt als Amerikanische Schabe. Dutzende.
«Wenn es nach mir ginge», sagte Bob versonnen, «würdet ihr
alle anders sterben.»
Das war kein leeres Geschwätz. Ganz und gar nicht.
Bob hatte nämlich eine Idee für eine vollbiologische Methode der Schädlingsvernichtung, eine, die die Umwelt nicht vergiftet wie die herkömmlichen Methoden und die, bei optimaler Umsetzung, Bob sogar reich machen könnte.
Seine Idee drehte sich um Insekten, die gemeinhin als Rauboder Mordwanzen bekannt sind (Reich: Tier; Stamm: Arthropoda; Klasse: Insecta; Ordnung: Hemiptera; Familie: Reduviidae). Diese bedrohlichen Kerbtiere jagen und töten mit grausiger Effizienz andere ihrer Klasse, indem sie mit ihrem kräftigen Mundwerkzeug den Schutzpanzer ihrer Beute durchstoßen und einen lähmenden Speichel hineinpumpen. Mordwanzen spritzen ihren Opfern Amylase und Pektinase ein, Enzyme, die das innere Gewebe vorverdauen und verflüssigen, welches sie dann durch ihren Rüssel aufsaugen wie einen Milch-Shake.
Bob arbeitete mit acht Arten dieser Insekten. Grob gesprochen hatte er vor, diese acht Arten miteinander zu kreuzen, in der Hoffnung, die vollendete Mordwanze zu erschaffen - eine robuste, hybride Rasse räuberischer Insekten, die die optimale Kombination von Jagd- und Tötungseigenschaften in sich vereinigte.
Eine Mordwanzen-Art, mit der Bob experimentierte, war die Amerikanische Radwanze (Arilus cristatus), ein gefräßiger Räuber, der Insekten, die doppelt so groß sind wie er selbst, einschließlich der größten Schabenarten, ohne Zögern angreift und furchtlos leersaugt.
Die Radwanze ist ein stämmiger grauschwarzer Kerl; ihr Prothorax fächert sich in ein Halbrad bedrohlicher Zahnradzähne entlang der Coxa auf, daher ihr landläufiger Name. Der auffällige Abdomen trägt so etwas wie die Heckflossen eines 195ger Cadillac. Diese dunklen Rückenkämme stehen in einem Winkel von fünfundvierzig Grad ab und unterstreichen noch das bedrohliche Erscheinungsbild der Wanze.
Bob arbeitete auch mit Kotwanzen (Reduvius personatus), unerbittlichen Jägern, die dreist in menschliche Behausungen eindringen, um sich an Bettwanzen, Termiten und anderen Insekten satt zu fressen. Diese verstohlenen und kräftigen rostbraunen Wanzen haben einen vergrößerten, muskulös wirkenden Thorax, der aussieht, als hätte der Schnabelkerf ein Muskelaufbauprogramm mit Beta-Blockern absolviert. Kotwanzen sind dafür bekannt, daß sie ihre Beute mit einer unnachgiebigen Zielstrebigkeit verfolgen.
Bob stellte sich vor, daß die erfolgreiche Kreuzung dieser Arten zu einem willkommenen neuen Ansatz in der Schädlingsvernichtung führen würde, von einem regelmäßigen Einkommen ganz zu schweigen. Doch da sein Kreuzungsverfahren noch nicht ausgereift war, arbeitete Bob immer noch für eines jener lizenzierten Schädlingsvernichtungsunternehmen, die die Umwelt mit Giften überfluteten und von ihren Angestellten verlangten, daß sie lächerliche, entwürdigende Uniformen trugen.
Über der linken Brusttasche von Bobs Uniform war ein Aufnäher mit einem großen, grinsenden Comic-Insekt und dem Firmennamen KÄFER-EX. Darunter verkündete ein
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