Der Kammerjäger
Glasfaserwanze, die triumphierend auf seinem eigenen Kombi hockte.
Louis, der unterwürfige Gastgeber des Casinos von Monte Carlo, begrüßte Klaus mit einer schwungvollen Verbeugung. Ein befrackter Kellner erschien mit einem Bombay-Martini, den er auf einem Silbertablett balancierte.
Klaus schlürfte den eisgekühlten Begrüßungstrunk. «Perfekt, wie immer. Danke, Louis.»
Er trug einen glänzenden neuen Aktenkoffer, was, wie Louis wußte, bedeutete, daß Klaus vor kurzem bezahlt worden war und hier war, um sich zu «entspannen». Das war eine gute Nachricht für das Casino, und Louis sorgte dafür, daß sein Gast fürstlich behandelt wurde.
Klaus hatte nicht immer gezockt. Aber in den letzten Jahren, als die Depressionsanfälle immer öfter kamen, hatte er etwas entdeckt, das zumindest die Symptome kaschierte. Er stellte fest, daß seine Aufmerksamkeit am Spieltisch derart konzentriert war, daß er nicht in der Lage war, an irgendetwas anderes zu denken. Solange er zockte, konnte er nicht über das nachgrübeln, was er allmählich als sein völliges Scheitern im Leben betrachtete.
Nachdem Klaus diese Verbindung erkannt hatte, verbrachte er immer mehr Zeit in den berühmten Casinos der Welt. Er sagte, es entspanne ihn und es sei ihm egal, wieviel Geld er verlor.
Anfangs gewann er mehr, als er verlor, aber dann spielte er immer gewagter, und bald überstiegen die Verluste die Gewinne. Er begann auch bei Sportveranstaltungen zu wetten, setzte immer auf den Underdog, den Außenseiter, den sicheren Verlierer:
Tampa Bay in der Super Bowl, Vietnam bei der Weltmeisterschaft, weiße Schwergewichtsboxer, so in dem Stil.
Unter jenen, die Klaus kannten und über die Gründe für seine Zockerei spekulierten, kursierten mancherlei Theorien. Die erste war ziemlich prosaisch und verworren und lautete folgendermaßen: Klaus' Arbeit war so gefährlich und stimulierend, daß er für normale Freizeitaufregung desensibilisiert war, und um große Geldbeträge zu wetten befriedigte seine Sehnsucht nach solchem Nervenkitzel. Diese Theorie gründete ferner auf dem Glauben, daß Menschen von Natur aus den Adrenalinschub des Risikos brauchten, und da Klaus es sich nicht leisten konnte, bei seiner Arbeit Risiken einzugehen, mußte er einen anderen Weg finden, dieses Bedürfnis zu befriedigen.
Die zweite Theorie, die eher von Anhängern Freuds vertreten wurde, lautete, daß die zerstörerischen Aspekte seines Es die konstruktiven Triebe überwältigt hätten, was in einem konkreten Todeswunsch resultierte.
Er hatte weder Frau noch Familie. Er hatte nichts, was einem Hobby ähnelte, und er haßte seine Arbeit. Kurz, er hatte wenig Grund zu leben.
Andere spekulierten, daß Klaus allmählich Schuldgefühle bekam wegen all den Menschen, die er auf dem Gewissen hatte, und daß sein eigener Tod die einzige Möglichkeit war, diese Vergehen zu sühnen. Aber während kein Zweifel bestand, daß Klaus den Mumm hatte, andere zu beseitigen, hatte er ebenso sicher nicht den Mut, sich selbst zu töten. Nach dieser Theorie hoffte Klaus unbewußt, daß er durch seine Zockerei, vor allem indem er riesige Summen auf Außenseiter setzte, soviel Geld verlieren würde, daß er eines Tages jene nicht mehr bezahlen könnte, bei denen er Schulden hatte, und daß sie schließlich kommen und ihn von seinen Qualen erlösen würden.
Klaus selbst verwarf alle diese Theorien mit der üblichen Antwort: «Manchmal ist eine Zigarre nur eine Zigarre.»
Was immer seine Gründe sein mochten, er schlürfte einfach seinen Martini und steuerte auf den Baccarat-Tisch zu.
Die Frau von Time war gebührend beeindruckt von Bobs phantastischer Insektensammlung und seiner entomologischen Bibliothek. Der Fotograf hielt den Wanzsaal für die Nachwelt fest und möglicherweise für einen Bildband-Bestseller. Es gab sogar die Chance, daß Bob, mit seinem noch nie dagewesenen Konzept der vollbiologischen Schädlingsvernichtung, der von diesem Nachrichtenmagazin erkorene Mann des Jahres werden könnte das waren zumindest die Möglichkeiten in dieser speziellen Phantasie.
Bob war in seinem Wanzsaal, werkelte mit seinen Kreuzungen herum und träumte von dem Interview mit der Frau von Time. Sicher würde sie ihn fragen, wie sein Interesse für Insekten überhaupt geweckt worden war.
Darauf würde er ihr erklären, daß er, wie die meisten J ungs, von Spinnen, Schlangen, Skorpionen und anderen bedrohlichen Wesen der Tierwelt fasziniert gewesen war. Er liebte diese Geschichten - die
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