Der Kampf beginnt
Beifahrersitz gekauert. Vor seiner Wohnung hatten sie sich mit einem Kuss voneinander verabschiedet, danach hatte er während einer Stunde Stadtverkehr und Landstraße Zeit gehabt, sich auszumalen, wie die Basis bei einem echten militärischen Alarm aussah.
Abgesehen von einer Art nervöser Energie, die knisternd wie statische Elektrizität in der Luft lag, bemerkte Raul keinen Unterschied. Bis er eintraf, hatte sich schon wieder Routine durchgesetzt. Ein Corporal nahm seine Anmeldung entgegen und teilte ihm statt eines Kasernenbettes eine gemeinsame Unterkunft zu. Das war eines der Vorrechte, die er als MechKrieger genoss, selbst in der Reserve. Er erhielt einen offiziellen Dienstbefehl, der ihn zum aktiven Einsatz einzog, und den er unterschreiben musste. Dann wurde er als Adjutant in der Milizzentrale auf Fünf-Groschen-Schicht eingeteilt: Fünf Stunden Dienst, danach zehn Stunden Freizeit. Seine erste aktive Schicht trat er um Mitternacht an, und er hatte nichts weiter zu tun, als die Vorbereitungen zu überwachen und sich mit den Kameraden über die anfliegenden Landungsschiffe zu unterhalten.
Rauls zweite Fünferschicht machte die geruhsame Nacht allerdings wett. Nach einem - aufgrund der ungewohnten Zeit - unruhigen Schlaf erschien er etwas träge in der Zentrale und war ganz und gar unvorbereitet auf die hitzige Diskussion und den Orkan aus Formularen, der ihm ins Gesicht flog.
Heißer Kaffee schwappte über den Rand des Plastikbechers und verbrannte ihm die Hand. Hastig nahm er den Becher in die andere Hand, schüttelte die Finger trocken und suchte nach dem Angreifer. Er erkannte einige der Stimmen, welche davon aber hinter der Papiersalve steckte, war ihm augenblicklich klar.
»Sie können Stummels Direktiven und ihre Notstandsautorität zitieren, so viel sie lustig sind, Colonel. Meinen Mech bekommen Sie nicht.«
Tassa Kay.
Sie stand nur Millimeter vor Colonel Blair und auf ihren Zügen loderte weiß glühende Wut. Sie hatte das dunkelrote Haar zu einem lockeren Pferdeschwanz gebunden und trug bloß Stiefel, Shorts und eine Kühlweste - eine Bekleidung, die nur sehr wenig ihrer kurvenreichen Figur dem Blick entzog. In der Enge eines Mechcockpits, in dem im Kampfeinsatz häufig Saunatemperaturen herrschten, war minimale Bekleidung unumgänglich. Die inoffizielle MechKrieger->Uniform< nahm auf Schamhaftigkeit keine Rücksicht. Das Kristallamulett, das Raul schon zuvor bei Kay bemerkt hatte, lag noch immer um ihren Hals, aber jetzt ruhte es fest eingeklemmt zwischen ihren Brüsten.
»Stempres«, korrigierte Issac Blaire sie, und seine kräftige Stimme hallte durch den Raum. Er ließ sich von der wütenden MechKriege-rin nicht einschüchtern und nahm kaum das Gewicht von der Beinprothese. »Lejat Brion Stempres.« Sein auch sonst schon rötliches Gesicht war zu einem bedrohlich dunkelroten Farbton angelaufen. »Und Se wissen sehr jut, dat ich dat sehr wohl kann.«
Der zaurakische Akzent des Milizkommandeurs schlug durch. Zaurak galt auf Achernar als etwas hinterwäldlerisch, und die Einwohner der Region besaßen eine ganz typische Aussprache. Seit Blaire noch als Major den Befehl über das Milizreservekorps Acher-nar übernommen hatte, hatte Raul ihn bei Blaire nicht bemerkt. Entweder dauerte dieser Streit schon eine ganze Weile, oder Tassa Kay hatte Blaire ungewöhnlich schnell in Rage gebracht.
»Ihre Transitpapiere auf jeder Welt der Republik enthalten eine bindende Vereinbarung, die mir das Recht jibt, jede militärische Ausrüstung zu requirieren - ob in Privatbesitz oder nicht -, für die ich eine Notwendigkeit sehe.«
Das unterbrach den Streit einen Augenblick. Raul bückte sich und hob eine Hand voll Formulare auf. Er trug sie zusammen mit seinem halb vollen Becher Kaffee zu einem der kleinen Metallschreibtische entlang einer Zimmerwand. Der gesamte Raum verfolgte den Streit. Sonstige Gespräche beschränkten sich auf ein Minimum und alle Augen zuckten zwischen den Bildschirmen und den beiden
Streithähnen hin und her. Ein in der Nähe arbeitender KommTech begrüßte Raul mit einem nervösen Nicken.
»Wie lange brauchen Sie, um zu beweisen, dass ich diese Information erhalten habe?«, fragte Kay.
Rauls Kopf flog hoch. Er wusste, dass sie die entsprechenden Papiere erhalten hatte. Er hatte sie ihr als Teil der Zollabfertigung selbst übergeben und sie von ihr unterschreiben lassen. Doch er sagte nichts, weil er sich in den Streit seines Kommandeurs nicht einmischen wollte. Außerdem
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