Der Kampf beginnt
interessierte ihn, wie er mit ihr fertig wurde. Tassa Kay war alles andere als ein leichter Brocken. Ganz abgesehen davon, dass Raul schon einmal selbst mit ihr zu tun gehabt hatte, war es ihr gelungen - bei Alarmzustand -, in die Befehlszentrale der Miliz zu gelangen, und das sprach Bände über ihre Durchsetzungsfähigkeit.
Colonel Blaire zuckte wie nach einer Ohrfeige zurück. Falls seine Überraschung nicht echt war, besaß er ein ungeahntes schauspielerisches Talent. »Bei Ihrer Ehre als MechKriegerin«, fragte er einfach. »Haben Sie diese Information erhalten?«
Raul nippte an dem kräftig gesüßten Kaffee und schaute sich zwischendurch die aufgelesenen Papiere und Tassa Kay an. Blaires Erwiderung hatte sie bei ihrer persönlichen Ehre gepackt und möglicherweise sogar noch tiefer. Kay fuhr sich langsam mit der Zunge über die Oberlippe, als sie überlegte und schließlich nachgab. »Na schön, ich habe sie erhalten. Aber ich bin immer noch im Besitz der Befehlscodes, und ohne die können Sie nur ein Viertel der Leistung des Reaktors nutzen und keines der Waffensysteme abfeuern. Also sollten wir zu einer Einigung kommen. Mein Angebot war gut genug für Ihren Exarchen. Es sollte auch gut genug für Sie sein.«
»Das wäre es auch. Das ist es. Aber es ist nicht meine Entscheidung. Die Entscheidung liegt bei Lejat Stempres. Er hat schon Erik Sandoval-Grölls Leute eingezogen, die im Gewaltmarsch durch die Taibekberge hierher unterwegs sind. Und jetzt verlangt er die Codes für Ihren Ryoken.«
Also das war Kays Trumpfkarte. Die Befehlscodes. Ohne Zweifel war sie deshalb auf die Basis gekommen. Blaire brauchte die Codes. Sie hatte bereits das Verifax von Exarch Redburn herausgeholt und auf den Tisch gelegt.
Er stellte das heiße Gebräu beiseite und sortierte die Formulare. Genau wie Tassa Kay bereits erwähnt hatte, handelte es sich um Kopien des republikanischen Notstandsgesetzes und Legat Stempres' Entscheidung, Zivilbesitz für die militärische Verwendung zu requirieren. Sollte heißen: Kays Ryoken II. Er brauchte den Gesetzestext nicht zu lesen, er kannte ihn auswendig - soweit es die Erfordernisse der Republik notwendig machen, kann Zivilbesitz konfisziert und in den Dienst der gesetzmäßigen Institutionen gestellt werden. Die Höhe einer entsprechenden Vergütung ist...
Ist von beiden Parteien zu vereinbaren, sofern die Republik keinen vollständigen Ersatz des betreffenden Zivilbesitzes garantiert.
»Verzeihung«, meldete sich Raul zu Wort, als die MechKriegerin gerade für die nächste Runde des Streits Luft holte. Er trat näher. »Colonel Blaire. Darf ich kurz unterbrechen?«
Blaire stierte auf Rauls Uniform und sah zunächst nur dessen Ehrenrang eines Lieutenants. Dann erkannte er den Reservisten und wurde etwas umgänglicher. »Lieutenant . Ortega. Ich hab Ihren Namen auf dem Bericht des Lejaten jelesen, oder?« Dann unterdrückte er seinen Akzent, als hätte er ihn jetzt erst bemerkt. Sein wettergegerbtes Gesicht war voller dunkler Täler, doch klare blaue Augen strahlten hell und hart daraus hervor. »Ja, ich wüsste gerne, was Sie dazu zu sagen haben.«
»Ich auch«, stellte Kay fest und betrachtete Raul interessiert. Offensichtlich erinnerte sie sich an ihn.
»Ich weiß nicht, wie sehr es Ihnen gefallen wird, Sir.« Raul achtete darauf, seinen Vorgesetzten angemessen höflich zu behandeln. »Soweit ich den Text des Notstandsgesetzes verstehe«, erklärte er und reichte Blaire die Papiere, »können Sie MechKriegerin Kay hier gegen ihren Willen nur dann zu einer Zustimmung zwingen, wenn Sie persönlich im Voraus den vollen Gegenwert ihres Ryoken garantieren.«
Blaires Miene verdüsterte sich wieder. »Sie erwarten von mir, dass ich einen Schuldschein über zwanzig Millionen Stones unterzeichne?«, fragte er und benutzte die gängige Bezeichnung für die Währung der Republik.
Lächelnd verbesserte Kay: »Vierundzwanzig Millionen. Es handelt sich um eine spezielle Variante, die sie aus dem Lyranischen Commonwealth importieren müssten.« Ihre gute Laune war augenblicklich zurückgekehrt. Sie strahlte Raul an. »Ich stehe schon wieder in Ihrer Schuld.«
Raul hätte gerne geantwortet, dass er nur seine Pflicht tat und für die Diskussion nützliche Informationen zur Sprache brachte. Aber das warme Gefühl, das sich in seiner Magengrube ausbreitete, strafte ihn Lügen. Er hatte sich auf Tassa Kays Seite geschlagen.
Schon zum zweiten Mal. »Ist das jetzt die Geschichte von Dieron
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