Der Kampf beginnt
Frisur, die ihre großen Ohrringe und vorstehenden Wangenknochen betonte. Leuchtende, einladend blaue Augen verspotteten ihn mit schelmischem Glanz. Ihr Kostüm war bequem, wirkte aber nicht zu leger, und seine Verlobte trug die auch für Ärzte typischen Arbeitsschuhe.
»Aber wenn du wirklich keine Zeit mehr für mich hast«, sprach sie locker weiter, »kann ich auch den Rat meiner Mutter befolgen und mir einen gut aussehenden Rechtsanwalt suchen, der nur sechzig Stunden in der Woche arbeitet.« Sie drehte sich um, als wollte sie gehen.
Raul sprang vom Stuhl wie von der Rettungsautomatik eines Batt-leMechs geschleudert, riss sie beherzt in seine Arme und schwang die lachende Jessica zurück ins Büro. Fast hätte er sie auf das Teilchen gesetzt, zog sie im letzten Moment aber wieder hoch und senkte sie auf seinen Sessel. »Muss ich dich an unsere Abmachung erinnern, Jess?« Er wedelte mit dem Zeigefinger. »Ich nehme keine Aufträge an, für die ich Achernar verlassen muss, und du hältst dich von den Anwälten fern.« Es war ohnehin eine leere Drohung. Jessicas Mutter wohnte inzwischen auf Rio, in einer der besten Ruhestandssiedlungen der Präfektur. Und sie war begeistert von Raul.
Jessica löste das lange Haar und schüttelte es. Es fiel ihr in wilden, lockigen Strähnen über die Schultern wie die Haare eines kleinen Mädchens nach einem wilden Tag auf dem Spielplatz. Eine Strähne landete zwischen den Augen und legte sich auf eine Weise über ihren Nasenrücken, die Raul ganz ungeheuer attraktiv fand. Sie schüttelte das Lächeln ab, setzte sich kerzengerade auf, als spräche sie mit einem Patienten, legte den Kopf zur Seite und überdachte sein Angebot. »Entschuldigen Sie«, fragte sie nach einer kurzen Pause. »Kennen wir uns?«
»Schon klar«, kapitulierte Raul. Er streckte die Hand aus, um die kecke Haarsträhne sanft beiseite zu streichen und legte sie hinter Jessicas Ohr. Dann gab er ihr einen Kuss auf die Stirn, bevor er sich auf den Holzstuhl mit den geraden Lehnen fallen ließ, den er für die meisten Besucher im Büro stehen hatte. »Schuldig im Sinne der Anklage. Ich war in letzter Zeit ziemlich abwesend. Ich weiß.« Er fuhr sich mit den Fingern durch das dicht gelockte, nasse schwarze Haar. »Aber du glaubst nicht, mit wie viel Arbeit wir hier zugeschüttet werden.«
Sie entspannte sich ein wenig und ließ sich lockerer in den Sessel sinken, auch wenn sie sich in einem anderen Büro als dem eigenen nie richtig entspannte. »Ich glaube es dir, Raul. Ich weiß nur nicht, warum du dir das gefallen lässt. Ich dachte, der Raumhafen erstickt vor Gewerkschaften, um so etwas zu verhindern.«
»Die sind für die Ladearbeiter und Techs. Für Leute, die tatsächlich für ihr täglich Brot arbeiten.« Wie Ärzte. Raul lächelte dünn über den gemeinsamen Scherz. Er lehnte sich zurück. Jetzt, da der Adrenalinstoß ihres Erscheinens verklang, spürte er besonders deutlich, wie müde er war.
»Du siehst furchtbar aus«, stellte Jessica mit einer besorgten Note in der Stimme fest.
»Schön, dass dir das auffällt.«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, ich meine es ernst. Hockst du schon den ganzen Nachmittag in diesem Kabuff herum?« Sie schaute sich um. Mit einem Finger stupste sie das zerfließende Teilchen an. »Lass mich raten ... Mittagessen?« Sie legte den Handrücken auf ihre Stirn. »Hast du keine Klimaanlage in diesem Loch?«
Raul deutete mit dem Kopf zum schmalen Fenster des Büros, das den Blick auf den San-Marino-Raumhafen freigab. Aus diesem Winkel sah er gerade eben die Rundung des Union-Händlers in Bucht sieben. »Bis die Wärmepumpe repariert ist, besteht die Klimaanlage aus dem Fenster da, aber das öffne ich nie. Das lässt nur die schwüle Luft rein, die über dem Hafenfeld liegt, und dann schwitze ich mich kaputt.«
»Na großartig. Dann lass dich von mir entführen. Abendessen? Las Palamas?« Sie bemerkte seinen zögernden Blick auf die Arbeit, die sich auf dem Schreibtisch stapelte. »Margaritas und Mariachis? Du darfst mich betrunken machen.«
Ein müdes Lächeln kämpfte sich zurück. »Also, das ist ein Angebot, das sich schwer ausschlagen lässt.« Er wackelte viel sagend mit den Augenbrauen und bemühte sich, Begeisterung in den Blick seiner dunklen Augen zu legen. Seine Versuche, lüstern zu wirken, erstarben allerdings schnell, als sein Pflichtgefühl sich wieder meldete. »Gib mir eine Stunde.« Jessica war sichtlich verärgert. »Eine Stunde! Nicht mehr! Ehrenwort!
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