Der Kampf um die Sieben Inseln
Guillaume Tell schoß gut, wenn auch nicht in dem Tempo wie die Thunderer. Aber wieder fegte eine Salve über das Deck des Briten. Einem Kanonier auf dem Achterdeck riß eine Kugel den linken Unterarm weg. Er lag an Deck, und das Blut sprudelte aus dem Armstumpf. David sprang hinzu, riß das Tuch ab, das sich der Mann um die Ohren gebunden hatte, und band den Oberarm fest ab. Andere liefen hinzu und trugen ihn unter Deck.
David blickte sich um. Kanonen lagen umgestürzt an Deck. An einigen anderen arbeiteten nur noch wenige Männer. Er hob die Sprechtrompete: »Scharfschützen vom Topp an die Kanonen!« Die Männer kletterten hastig die Wanten hinunter, umgingen zerschossene Stellen und reihten sich unter die Kanoniere ein. Gregor und Alberto mit ihren Riesenkräften richteten eine Karronade wieder auf und schossen mit ihr auf den Franzosen.
»Achtung! Mast fällt!« brüllte eine Stimme. Alle blickten hastig nach oben und sprangen zur Seite. Großmarsstenge und Großbramstenge fielen herab und durchschlugen die aufgespannten Seile. Die Seeleute hatten sich in Sicherheit gebracht und hackten nun die Taue entzwei, die die Stengen noch mit dem Schiff verbanden. Die Thunderer verlor an Fahrt.
Wie lange sollen wir dieses stumpfsinnige Aufeinandereingehämmere noch ertragen, dachte David gerade, als eine Zweiunddreißigpfünder-Kugel Zentimeter an seinem Kopf vorbeiflog. Der Luftdruck vor der Kugel stieß seinen Kopf nach hinten, der Sog riß David um. Er schien taub und war Sekunden besinnungslos, als er an Deck lag. »Aufhören!« rief er und war doch kaum zu hören. »Aufhören mit dem Abschlachten! Streicht die Flagge!« Animalische Angst trieb ihn an, auf Händen und Füßen hinter den Maststumpf zu kriechen, um etwas Sicherheit zu finden.
Gregor sprang hinzu. »Sind Sie getroffen, Gospodin?« Und er hob Davids Oberkörper an und schaute auf Brust und Rücken, auf die Arme und den Bauch. Dann stellte er David auf die Füße und sagte: »Nichts getroffen, Sir. Das ging um Millimeter.«
David gewann wieder seine Selbstkontrolle, sah bei Gregor kein Zeichen, daß er seine Worte verstanden hatte, rettete sich in die seit Jahren eingeübte Rolle des Flottenkapitäns, klopfte Gregor auf die Schulter und sagte: »Danke! Alles in Ordnung.« Dann rief er nach dem Sergeanten mit dem Dudelsack und befahl ihm, sich hinter den Mast zu stellen und aufmunternde Melodien zu spielen.
Er selbst lief von Geschütz zu Geschütz und rief: »Gebt es ihnen! Bald haben wir sie!« Die Guillaume Tell verlor ihren Kreuzmast, und die Thunderers jubelten. Aber bald darauf gingen ihr eigener Fock- und Kreuzmast über die Seite, und sie fielen zurück. Aber sie legten ihr Ruder so, daß ihre Geschütze immer noch die Guillaume Tell erreichen konnten.
Und dann war die Foudroyant heran. Sie feuerte eine furchtbare Breitseite, aber die Antwort war so, daß die Foudroyant selbst zwei Masten verlor und kaum noch manövrieren konnte. Warum haben sie den Franzosen nicht ausgesegelt, dachte David. Sie hatten doch noch Ruder und Takelage.
Aber nun lagen alle Schiffe dicht beieinander. Die Briten hatten die Guillaume Tell in ihre Mitte genommen und schossen, was noch hinausging. Vor dem Franzosen lag die Penelope und beschoß ihn vom Bug zum Heck. Warum geben sie nicht auf, fragten sich die Briten immer wieder.
Es verging noch eine Stunde, in der die Kanoniere am Rande ihrer Kräfte nur noch wie Automaten luden und schossen, bis die Guillaume Tell gegen 8.20 Uhr ihre Flagge strich.
David sah sich um. Mr. Watt war mit einem Splitter im Oberschenkel unter Deck geschafft worden. Mr. Shield vertrat ihn. »Mr. Faulkner soll mit einem Kutter zum Franzosen übersetzen.«
»Sir, Mr. Faulkner ist vor einer halben Stunde gefallen.«
»Dann soll Mr. Jaling als amtierender Leutnant kommandieren.«
Die Zimmerleute begannen die dringendsten Reparaturen, um die Thunderer wieder manövrierfähig zu machen. David holte die Meldungen ein, welche Schäden und Verluste sie hatten. Dann ging er ins Lazarett, wo Mr. Cotton in seinem blutbesudelten Kittel verband und amputierte. »Neun Tote und etwa vierundzwanzig Verwundete bis jetzt, Sir«, meldete er ohne hochzuschauen.
»Wie geht es Mr. Watt?«, fragte David.
»Nur ein glatter Schnitt. Ich hab ihn in sein Quartier bringen lassen. Hier ist er nur im Wege.«
David besuchte noch Mr. Watt und fand ihn in guter Stimmung. »Morgen bin ich wieder an Deck, Sir.«
»Seien Sie vorsichtig. Ich wollte in der Karibik auch
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